Visiting Fellow María Julia Ochoa Jiménez im Gespräch

11. Juli 2024

Die aus Venezuela stammende und in Sevilla lehrende Rechtswissenschaftlerin war im Juni 2024 als Fellow im Team von Institutsdirektor Ralf Michaels zu Gast in Hamburg. Sie forscht zu Fragen der Restitution von Kulturgut kolonialer Herkunft. Außerdem arbeitet sie an einem Vorschlag für ein Gesetz zum internationalen Privatrecht in Kolumbien.

„Fragen der Restitution unter dem Blickwinkel des internationalen Privatrechts zu betrachten, ist eine relativ neue Entwicklung. Lange Zeit war diese Disziplin vom eher konservativen Ansatz des europäischen IPR geprägt, in dessen Tradition auch das Kollisionsrecht Lateinamerikas steht“, sagt María Julia Ochoa Jiménez. „Aber in den letzten Jahren ist vieles in Bewegung geraten. Anknüpfend an rechtspluralistische Konzepte finden heute auch vorkoloniale Normen Berücksichtigung. Mit dieser Herangehensweise können wir etwa den Interessen indigener Gemeinschaften besser gerecht werden, wenn es darum geht, was mit den aus Europa rückerstatteten Kulturgütern geschehen soll.“

Für die sowohl im IPR als auch im Völkerrecht beheimatete Wissenschaftlerin ist es selbstverständlich, zivilrechtliche Themen mit Menschenrechten zu verbinden. Als Restitutionsexpertin interessiert sie sich für indigene Rechte und deren kulturelle Ausdrucksformen. Sie ist Mitglied im Global Justice Program der Universität Yale und engagiert sich außerdem im internationalen Netzwerk Academics Stand Against Poverty (ASAP).

International und interdisziplinär ist auch ihr akademischer Werdegang. Nach ihrem Jurastudium in Venezuela ging sie an die Universität Göttingen, wo sie 2011 im Bereich internationales Recht mit einer Arbeit über den Schutz materieller Kulturgüter in Lateinamerika promovierte. Mehr als zehn Jahre lang forschte und lehrte sie in Kolumbien bevor sie 2022 als Professorin an die Universidad Loyola in Sevilla wechselte. 2023 war sie Humboldt-Stipendiatin am Institut für Archäologie und Kulturanthropologie der Universität Bonn.

Ihre Arbeit zum IPR führte Ochoa Jiménez 2018 zum ersten Mal ans Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Wichtige Impulsgeber waren für sie damals der ehemalige wissenschaftliche Referent des Instituts und Professor emeritus der Universität Zürich, Kurt Siehr, sowie der ehemalige Lateinamerikareferent des Instituts, Jürgen Samtleben. Neue Anknüpfungspunkte fand sie im Rahmen des von Ralf Michaels, Verónica Ruiz Abou-Nigm und Hans van Loon ins Leben gerufenen Projekts ‚The Private Side of Transforming our World‘ zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen: „Die Auseinandersetzung mit dem IPR im Kontext von Nachhaltigkeit und Dekolonialisierung passt hervorragend zu meinen Forschungsthemen und ist daher eine große Bereicherung für mich.“

Gemeinsam mit Kolleg*innen aus der Wissenschaft arbeitet Ochoa Jiménez an einem Gesetzesvorschlag für das internationale Privatrecht Kolumbiens. „Bisher gibt es in Kolumbien kein systematisches Regelungswerk für grenzüberschreitende Zvilrechtsfälle. Ein neues Gesetz eröffnet auch neue Gestaltungswege für die Restitution.“ So sieht der Vorschlag vor, dass über den endgültigen Verbleib restituierter indigener Kulturgüter indigene Gesetze und Traditionen entscheiden sollen. Im Gespräch mit Ochoa Jiménez wird deutlich, dass eine solche Regelung auch Veränderungen auf internationaler Ebene in Gang setzen könnte. „Jedenfalls wollen wir damit eine größere Debatte anstoßen.“

 




Bildnachweis: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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