Keizo Yamamoto zu Gast am Institut
Seit 2008 unterhält das Institut eine Kooperation mit der juristischen Fakultät der Universität Kyoto, die durch das Kompetenzzentrum Japan betreut wird. Ein Wissenschaftler, der diesen Austausch seit vielen Jahren durch sein besonderes Engagement bereichert, ist derzeit wieder zu Gast in Hamburg. Keizo Yamamoto, Professor an der Universität Kyoto, ist einer der renommiertesten Zivilrechtsexperten Japans. Zuletzt war er federführend an der Gestaltung der japanischen Schuldrechtsreform beteiligt.
Yamamoto war Mitglied der Kommission des Legislativausschusses, die für das japanische Justizministerium den Entwurf zur 2017 verabschiedeten und 2020 in Kraft getretenen Schuldrechtsreform erarbeitete. In welcher Weise das rund 120 Jahre zuvor durch die Rezeption westlichen Rechts entstandene japanische Zivilgesetz reformiert wurde, ist aus deutscher Sicht von einigem Interesse. Schließlich war das Bürgerliche Gesetzbuch neben dem Code civil ein Vorbild für das ursprüngliche Gesetz.
Parallel zu seiner Arbeit am Gesetzesentwurf begleitete Yamamoto den Reformprozess über mehrere Jahre hinweg auch wissenschaftlich. 2019 konnte das Kompetenzzentrum Japan ihn für die Mitwirkung an einem internationalen Symposium in Hamburg zum Thema Schuldrechtsmodernisierung gewinnen. Zudem ist er Autor beziehungsweise Herausgeber einer Reihe von Publikationen in der Zeitschrift für Japanisches Recht/Journal of Japanese Law (ZJapanR/J.Japan.L.) sowie der Schriftenreihe des Instituts Materialien zum ausländischen und internationalen Privatrecht, mit denen neben der Dokumentation des novellierten Gesetzes der deutschsprachigen Leserschaft ein umfassender Blick auf die Hintergründe und den Ablauf der Reform ermöglicht wird.
Ein Thema, mit dem er sich schon lange beschäftigt, ist die Bedeutung des Studiums des japanischen Rechts für die Rechtsvergleichung. Seit rund zehn Jahren nutzt er regelmäßig seine Sommerpause, um am Institut darüber zu forschen. Im vergangenen Jahr nahm er ein Sabbatical, um zehn Monate lang in Hamburg wissenschaftlich zu arbeiten. Jetzt ist er noch einmal für etwa zwei Monate zurückgekehrt.
„Mir scheint, dass in den Augen vieler Jurist*innen in Japan, aber auch in vielen anderen Ländern außerhalb Europas und vielleicht auch den USA die Rechtsvergleichung immer noch das Ziel hat, zum europäischen beziehungsweise zum westlichen Recht zu forschen, um dadurch das Recht nichteuropäischer Länder zu bereichern und weiterzuentwickeln“, sagt Yamamoto. „Umgekehrt besteht das Problem, dass – mit wenigen Ausnahmen – europäische Rechtswissenschaftler*innen, selbst wenn sie sich für Recht interessieren, das auf nichteuropäischen Sprachen basiert, ihnen mangels Sprachkenntnis eine Forschung dazu nicht möglich ist. Von ihren japanischen Kolleg*innen wird hingegen erwartet, dass sie, ausgehend vom japanischen Recht, zur internationalen Rechtsvergleichung beitragen. Aus meiner Sicht muss man dazu das japanische Recht zunächst innerhalb der Rechtsvergleichung verorten und dann einen Bezugsrahmen schaffen, auf dessen Grundlage ein rechtsvergleichender Austausch in viele Richtungen möglich wird. Auf diese Weise möchte ich auch durch meine aktuelle Arbeit zum japanischen Verbrauchervertragsrecht einen rechtsvergleichenden Beitrag leisten.“
Mit dem Zivilrecht beschäftigt Yamamoto sich seit Beginn seiner akademischen Laufbahn, die er 1983 als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Kyoto begann. Von 1990 bis 1992 ging er als Humboldt-Stipendiat an die Ludwig-Maximilians-Universität München, um bei Claus-Wilhelm Canaris zu forschen und kehrte von 2001 bis 2002 als Gastwissenschaftler, ebenfalls am Lehrstuhl von Canaris, dorthin zurück. „Die achtziger und neunziger Jahre waren gewissermaßen die ausgehende Epoche des klassischen deutschen Zivilrechts. Seit der Schuldrechtsreform 2002 hat ja ein erheblicher Wandel stattgefunden. Wesentliche Gründe dafür liegen zum einen in der fortschreitenden Europäisierung, zum anderen in der zunehmenden Politisierung und Technologisierung des Rechts. Immer wieder wird dadurch das Selbstverständnis der Zivilrechtswissenschaft in Bezug auf ihren Forschungsgegenstand in Frage gestellt.“ Trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen, wie etwa der Rechtsetzung der EU, die in Japan keine bestimmende Rolle spielt, sieht Yamamoto klare Parallelen zu Deutschland: „Es gibt viele Einflussfaktoren, wie zum Beispiel die ökonomische Analyse des Rechts oder technologisch bedingte Entwicklungstrends, die da wie dort von großer Bedeutung sind. Hier liegen auch die Schnittmengen für den wissenschaftlichen Dialog zwischen unseren beiden Ländern.“
Die seit sechzehn Jahren bestehende Kooperation zwischen dem Institut und der Universität Kyoto sieht Yamamoto als Erfolgsgeschichte: „Die Initiative für diese Zusammenarbeit verdanken wir dem Direktor emeritus Klaus Hopt und dem ehemaligen Leiter des Kompetenzzentrums Japan, Harald Baum. Das Austauschprogramm, an dem schon viele Kolleg*innen beider Seiten teilgenommen haben, hat sich hervorragend entwickelt. Bemerkenswert dabei ist vor allem der rege Austausch innerhalb der jungen Generation.“
Maßgebliche Faktoren für diese erfreuliche Bilanz sind aus seiner Sicht die jeweiligen Vorzüge der beiden Standorte. Seit ihrer Gründung im Jahr 1898 hat die juristische Fakultät der Universität Kyoto umfangreiche rechtsvergleichende Forschung hervorgebracht, wobei dem deutschen Recht stets eine zentrale Rolle zugekommen ist. „Will man aus rechtsvergleichender Perspektive zum japanischen Recht forschen, ist die Universität Kyoto einer der besten Orte dafür. Außerdem liegt sie in einer der schönsten Städte der Welt, deren über tausendjährige Geschichte dazu einlädt, tief in die japanische Tradition und Kultur einzutauchen.“ Das Hamburger Max-Planck-Institut ist für ihn einzigartig: „Es zeichnet sich nicht nur durch die hier tätigen Wissenschaftler*innen und deren herausragende Forschung sowie durch die renommierte Sammlung seiner Bibliothek aus. Es versammelt auch eine weltumspannende Community der Rechtsvergleichung. Für meine Kolleg*innen an der Universität Kyoto und besonders auch für unsere Nachwuchswissenschaftler*innen ist es der beste Ort, um zu verstehen, worum es in der rechtsvergleichenden Forschung geht. Mit unserer Kooperation haben wir gemeinsam eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit geschaffen, mit der wir zur Weiterentwicklung dieser Disziplin beitragen können.“
Bildnachweis: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering