Chinesisches Familien- und Kindschaftsrecht nach dem neuen Zivilgesetzbuch

3. Juni 2022

Mit einer umfassenden Neubearbeitung des Länderberichts China hat Knut Benjamin Pißler, Leiter des Kompetenzzentrums China und Korea am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, gemeinsam mit Thomas von Hippel, Familienrichter am Amtsgericht Hamburg-Altona, das Standardwerk „Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht“ aktualisiert. Berücksichtigt wurden dabei insbesondere die Neuerungen, die das Inkrafttreten des chinesischen Zivilgesetzbuches (ZGB) am 01.01.2021 mit sich gebracht hat.

Das chinesische Familien- und Kindschaftsrecht ist nicht nur ein wegen seiner historischen und kulturellen Besonderheiten reizvolles Forschungsgebiet, sondern hat auch Bedeutung für die zivilgerichtliche Praxis in Deutschland. Während zur Lösung von Wirtschaftsstreitigkeiten mit Bezug zu China fast immer Schiedsgerichte eingeschaltet werden, müssen ordentliche Gerichte in Deutschland nicht selten familien-, und erbrechtliche Sachverhalte beurteilen, die ganz oder teilweise im chinesischen Privatrecht verankert sind. Die von Pißler und von Hippel vorgelegte systematische Darstellung der Eheschließung, des Ehegüterrechts, der Scheidung und der finanziellen Scheidungsfolgen sowie des Kindschafts- und Namensrechts im neuen chinesischen ZGB ermöglicht es deutschen Richter*innen Fälle zu entscheiden, in denen das internationale Privatrecht die Anwendung chinesischen Rechts vorsieht.

Vor dem Hintergrund des Wandels von einem sozialistischen zu einem marktorientierten Wirtschaftssystem stellen die Autoren in ihrem Länderbericht fest, dass die veränderten Lebens- und Arbeitsverhältnisse sich auch in den rechtlichen Regelungen niedergeschlagen haben. So hat etwa die Regelungsdichte der Bestimmungen für Vermögensauseinandersetzungen nach der Scheidung in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zugenommen.

Erstmals gesetzlich im ZGB geregelt ist das Abstammungsrecht. Es ermöglicht dem Vater sowie der Mutter eines Kindes, beim Gericht Klage zu erheben, um die Vaterschaft feststellen zu lassen oder anzufechten.

Zudem versucht sich das chinesische Recht an eine Reihe von auch aus rechtsvergleichender Sicht innovativen Neuregelungen: So wird etwa der güterrechtliche Ausgleich bei einer Scheidung nunmehr durch einen dem chinesischen Recht eigentümlichen Billigkeitsausgleich flankiert, der eine nachträgliche Kompensation für geleistete unentgeltliche Hausarbeit ermöglichen soll. Neu entwickelt worden ist außerdem Umgangspflicht für erwachsene Kinder gegenüber ihren betagten Eltern.


Dieter Henrich, Alexander Bergmann, Murad Ferid, Anatol Dutta, Hans-Georg Ebert (Hrsg.), Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, 246. Lf., Verlag für Standesamtswesen, Frankfurt am Main 2022.





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© Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Ana Karolina Wolf

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