Das personenstandsrechtliche Geschlecht

Zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Geschlechtseintrags in den Personenstandsregistern

4. April 2025

Jedes in Deutschland geborene Kind erhält einen Geschlechtseintrag im Geburtenregister. Diese obligatorische Zuordnung steht im Konflikt mit einem mehrdimensionalen Geschlechtsverständnis, das insbesondere auch die geschlechtliche Identität umfasst. So kann es zu Fehlzuordnungen kommen, die später korrigiert werden müssen. Susanna Roßbach, wissenschaftliche Referentin am Institut, zeichnet in ihrer Dissertation die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Geschlechtseintrags in den Personenstandsregistern nach.

Geschlecht ist eine komplexe Materie und dennoch als gesellschaftliche Ordnungskategorie universell präsent. Die Frage, was Geschlecht im Innersten ausmacht, hat durch das Selbstbestimmungsgesetz neue Aufmerksamkeit erlangt. Doch wie entscheidet sich, welchem Geschlecht eine Person rechtlich zugeordnet ist? Wie kann ein einmal zugeordnetes Geschlecht später korrigiert werden? Und welche Rolle spielt der Geschlechtseintrag in den Personenstandsregistern dabei?

Diesen Fragen geht Susanna Roßbach nach und untersucht dazu intradisziplinär die rechtliche Verwobenheit des Geschlechts anhand von drei Entwicklungslinien: der Erweiterung der personenstandsrechtlichen Optionen des Geschlechtseintrags, der Liberalisierung der Korrekturvoraussetzungen und des Bedeutungsverlusts des Geschlechts als Voraussetzung des materiellen Rechts.

Roßbach hält fest, dass das Bundesverfassungsgericht seinen Entscheidungen seit Jahrzehnten ein wissenschaftlich anerkanntes mehrdimensionales Verständnis von Geschlecht zugrunde legt, das insbesondere auch die psychische Konstitution eines Menschen und seine nachhaltig selbst empfundene Geschlechtlichkeit als Dimensionen von Geschlecht anerkennt. Die obligatorische Beurkundung des Geschlechts nach der Geburt hingegen, die ausschließlich die körperliche Dimension berücksichtigt, macht die Möglichkeit einer späteren Korrektur der rechtlichen Geschlechtszuordnung erst erforderlich. Vor diesem Hintergrund deutet sie unter anderem das Selbstbestimmungsgesetz als Versuch, diesen Grundkonflikt abzumildern.

Sie unterzieht das Erfordernis einer staatlichen Registrierung des Geschlechts aller Menschen einer detaillierten Überprüfung und gelangt zur Schlussfolgerung, dass deren Hauptfunktion, den Rechtsverkehr durch eine Beweisvermutung zu erleichtern, heute nahezu keine Bedeutung mehr zukommt. Abschließend beschreibt sie Regelungsalternativen zur Lösung des von ihr beschriebenen Grundkonflikts und skizziert die damit jeweils verbundenen gesetzgeberischen Herausforderungen.

Dr. Susanna Roßbach studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. Danach absolvierte sie den Juristischen Vorbereitungsdienst am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, unter anderem mit Stationen beim Norddeutschen Rundfunk und beim Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte in Wien. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bucerius Law School und an der Europa-Universität Flensburg. 2024 wurde sie von der Bucerius Law School summa cum laude promoviert. Seither forscht sie als wissenschaftliche Referentin und Habilitandin am Institut.
 

Susanna Roßbach, Das personenstandsrechtliche Geschlecht – Zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Geschlechtseintrags in den Personenstandsregistern (Studien zum Privatrecht, 128), Bucerius Law School Hamburg 2024, Mohr Siebeck, Tübingen 2025, Doktorarbeit, XIX + 305 S.



 




Bildnachweis: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Marlena Staak

 

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