Nachlassabwicklung in historisch-vergleichender Perspektive

11. März 2025

Stirbt eine Person, bestimmen entweder ihr Testament oder das Gesetz, wem der Nachlass zukommen soll. Der Prozess vom Todesfall bis zur endgültigen Verteilung des Vermögens an die Begünstigten, der u.a. auch die Interessen von Gläubigern des Verstorbenen berücksichtigen muss, ist Gegenstand dessen, was sich zusammenfassend als „Nachlassabwicklung“ bezeichnen lässt. Reinhard Zimmermann, Direktor emeritus des Instituts, und Jan Peter Schmidt, Leiter des Kompetenzzentrums für die Anwendung ausländischen Rechts am Institut, sind gemeinsam mit Kenneth Reid Mitherausgeber eines neuen Standardwerks, das dieses Herzstück des Erbrechts in einer weltumspannenden Gesamtschau beleuchtet.

Ein wesentlicher Zweck des Erbrechts besteht darin, das Vermögen der Toten den Lebenden zuzuweisen. Gegenstand des Buches ist der gesamte Zeitraum zwischen dem Erbfall und dem Moment in dem alle beteiligten Personen einschließlich der Nachlassgläubiger das erhalten haben, was ihnen zusteht. Wie und von wem der Nachlass verstorbener Personen abgewickelt wird, ist ein Regelungskomplex, der selbst innerhalb nationaler Rechtssysteme häufig vernachlässigt wird.

Das in englischer Sprache verfasste Werk bietet die erste umfassende vergleichende Darstellung dieses auch politisch bedeutsamen Schlüsselgebiets des Erbrechts. Losgelöst von den Strukturen und Begriffen einzelner Rechtsordnungen verfolgt es dabei einen systemneutralen Ansatz. Anstatt von der Position der Erben auszugehen, wie dies im deutschen Recht und in den anderen Rechtsordnungen getan wird, die in der Tradition des römischen Rechts stehen, macht es das Nachlassvermögen zum Ausgangspunkt seiner Untersuchungen. Dabei werden sowohl die Entwicklungen in Ländern Kontinentaleuropas und deren Ausstrahlungen in Ländern außerhalb Europas analysiert als auch die Rechtsordnungen der common-law Tradition sowie die wichtigsten Mischrechtsordnungen.

Einer detaillierten Untersuchung unterzogen werden Recht und Rechtsentwicklung in Österreich, England und Wales, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Russland, Schottland und Spanien. Hinzu kommen Kapitel über Australien und Neuseeland, Kanada, China, Südafrika, Südamerika und die USA. Der historische Hintergrund wird durch Abhandlungen über das römische Recht, das Gewohnheitsrecht des frühneuzeitlichen Kontinentaleuropa und das englische Recht vor 1837 zusätzlich erhellt. Ein ausführliches Schlusskapitel fasst die Rechtsentwicklung in den verschiedenen Ländern und Rechtstraditionen zusammen und bietet eine rechtsvergleichende Bilanz.

„Administration of Estates“ ist der vierte Band der wegweisenden Reihe „Comparative Succession Law“, die aus dem Zusammenwirken einer von Reinhard Zimmermann zusammen mit Kenneth Reid und dem inzwischen verstorbenen Marius de Waal ins Leben gerufenen internationalen Arbeitsgruppe entstanden ist. Die bisher erschienenen Werke waren der gesetzlichen Erbfolge, den Testamentsförmlichkeiten sowie dem zwingenden Angehörigenschutz im Erbrecht gewidmet.

 

Priv.-Doz. Dr. Jan Peter Schmidt ist wissenschaftlicher Referent und Leiter des Kompetenzzentrums für die Anwendung ausländischen Rechts am Institut. Zudem lehrt er an der Universität Hamburg und der Bucerius Law School. Er ist Autor zahlreicher Publikationen in den Bereichen des Vertrags-, Familien- und insbesondere des Erbrechts.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann war von 2002 bis 2022 Direktor am Institut. Er lehrt als Affiliate Professor an der Bucerius Law School und als Honorarprofessor an der Universität Edinburgh. Für sein wissenschaftliches Werk wurde er unter anderem mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgesellschaft sowie dem Antonio-Feltrinelli-Preis der Accademia dei Lincei ausgezeichnet. Die Universitäten Chicago, Aberdeen, Maastricht, Lund, Kapstadt, Edinburgh, Lleida, Stellenbosch, McGill, Lublin (Johannes Paul II) und Santiago de Chile haben ihm die Ehrendoktorwürde verliehen.

 

Die Reihe „Comparative Succession Law“ im Überblick:
 

Reinhard Zimmermann, Marius J. de Waal, Kenneth G.C. Reid (Hrsg.), Comparative Succession Law, Bd. 1: Testamentary Formalities, Oxford University Press, Oxford 2011, XIX + 502 S.
Kenneth G. C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Comparative Succession Law, Bd. 2: Intestate Succession, Oxford University Press, Oxford 2015, XIX + 528 S.
Kenneth G. C. Reid, Marius J. de Waal, Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Comparative Succession Law, Bd. 3: Mandatory Family Protection, Oxford University Press, Oxford 2020, xxviii + 804 S.
Kenneth G. C. Reid, Jan Peter Schmidt, Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Comparative Succession Law, Bd. 4: Administration of Estates, Oxford University Press, Oxford 2025, xxvii + 711 S.



 



Bildnachweis: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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