Frauen im Recht

Frauen im Recht

Was bewegt unsere Wissenschaftlerinnen?

8. März 2021

Allgemeinwohlverpflichtungen von Unternehmen, Auswirkungen der Digitalisierung auf das Privatrecht oder Waldinvestitionen in Lateinamerika: Die Forschungsprojekte der Wissenschaftlerinnen am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht umfassen ein breites Themenspektrum. Anlässlich des Internationalen Frauentags erzählen acht Forscherinnen, welche Projekte ihnen besonders am Herzen liegen.


Julia Tittel

Wissenschaftliche Assistentin

In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit Unternehmen, die nicht nur Gewinne erwirtschaften, sondern zusätzlich auch Gemeinwohlbelange fördern wollen. So wie immer mehr Kund*innen ihre Kaufentscheidung von der Öko- oder Sozialbilanz eines Produkts abhängig machen und immer mehr Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitsplatz anhand dessen Umwelt- und Sozialverträglichkeit aussuchen, spielen auch für immer mehr Unternehmer*innen die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit eine Rolle. Bei manchen geht dies so weit, dass sie bereit sind, sich zur aktiven Förderung von Gemeinwohlbelangen zu verpflichten und sogar auf einen Teil ihrer Gewinne zu verzichten. Ich untersuche nun, ob der Gesetzgeber neue Regelungen für solche Unternehmen einführen sollte oder ob die schon bestehenden Regelungen im Gesellschaftsrecht ausreichen.
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Shéhérazade Elyazidi

Wissenschaftliche Assistentin

In meiner Doktorarbeit beschäftige ich mich mit der Funktion des Familienrechts im Nation-Building-Prozess in den kurdischen Gebieten Iraks und Syriens. Unter Nation Building verstehe ich den Prozess der Re-Interpretation von nationalen Identitäten. Das Dissertationsprojekt ist eine interdisziplinäre Untersuchung an der Schnittstelle zwischen Sozialwissenschaften – durch das Heranziehen strukturalistischer sowie poststrukturalistischer Ansätze zur Idee der Nation – und den Rechtswissenschaften – durch die dogmatische Analyse familienrechtlicher Normensysteme. Mit dem in den kurdischen Gebieten geltenden Familienrecht legt das Dissertationsprojekt seinen Schwerpunkt auf ein Normensystem, das bis dato keine systematische Analyse erfahren hat.

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Antonia Sommerfeld

Wissenschaftliche Assistentin

Welchen Einfluss hat die Rechtsflucht von Unternehmen in ausländische Rechtsordnungen auf Reformüberlegungen des deutschen Gesetzgebers? Dieser Frage widme ich mich in meiner Arbeit mit Blick auf das deutsche Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im unternehmerischen Rechtsverkehr. Das deutsche AGB-Recht wird gegenwärtig harsch kritisiert, es sei im internationalen Vergleich zu streng und werde der unternehmerischen Praxis nicht gerecht. Es dränge daher deutsche Unternehmen zu einer Rechtsflucht ins Ausland. Das Argument der Rechtsflucht wird als Grund für eine Liberalisierung besonders hervorgehoben – dessen Bedeutung und Auswirkungen wurden jedoch bislang nicht näher analysiert. In welchem Maße eine Rechtsflucht überhaupt erfolgt und möglich ist, ob sie tatsächlich durch das AGB-Recht verursacht wird, inwieweit beliebte ausländische „Rechtsfluchtziele“ letztlich liberaler sind und was dies in der Konsequenz für die Ausgestaltung des deutschen AGB-Rechts bedeutet, bleibt bislang weitgehend unbeantwortet. Bevor der deutsche Gesetzgeber jedoch das AGB-Recht als praxisrelevante Kernmaterie des Wirtschaftsrechts liberalisiert und dabei möglicherweise wichtigen Schutz für den deutschen Mittelstand aufhebt, sollte die Bedeutung der Rechtsflucht analysiert werden. Dieser Aufgabe nimmt sich meine Arbeit an.

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Jennifer Trinks

Wissenschaftliche Referentin

Ein Projekt, das mich aktuell beschäftigt, betrifft das Bürgschaftsrecht. Bürgen verpflichten sich, die Schulden einer anderen Person zu begleichen, wenn diese es selbst nicht kann. Oft wird ihre Unterschrift folgenlos bleiben – manchmal kann sie den Bürgen aber in den Ruin treiben. Aus verschiedenen Gründen unterschätzen Bürgen diese Gefahr. Einige Länder haben daher besondere Vorschriften eingeführt, die insbesondere Verbraucher vor ruinösen Bürgschaftsverpflichtungen schützen sollen. Diese Vorschriften untersuche und vergleiche ich. Dabei möchte ich herausfinden, wie sich die verschiedenen Vorschriften bewähren und ob es sich empfehlen würde, ähnliche Regelungen in das deutsche Recht einzuführen.

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Ruth Effinowicz

Wissenschaftliche Referentin, Leiterin des Kompetenzzentrums Japan

Eines meiner Forschungsthemen ist die Auslegung der seit 75 Jahren in ihrem Wortlaut unveränderten japanischen Verfassung. Ihre Bedeutung wird besonders deutlich am Beispiel von Artikel 9: Obwohl dieser seinem Wortlaut nach einen strengen Kriegs- und Kriegsmittelverzicht enthält, rangiert Japan regelmäßig unter den zehn Staaten mit den höchsten Militärausgaben. Nur durch eine ausdifferenzierte, sich stetig weiterentwickelnde Verfassungsinterpretation können Wortlaut und Realität, verfassungsrechtliche Vorgaben, politischer Wille und gesellschaftliche Identifikation mit dem Friedensprinzip in Einklang gebracht werden. Ihre Erforschung gibt Aufschluss über die Wechselwirkung zwischen Politik, Gesellschaft und Recht in Japan.

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Denise Wiedemann

Wissenschaftliche Referentin, Leiterin des Kompetenzzentrum Lateinamerika

Waldinvestitionen in Lateinamerika sind das Thema eines meiner Forschungsprojekte. Seit einigen Jahren gewinnen Agrar- und Forstflächen als ethisch-ökologische Geldanlagen immer mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. So stellen zunehmend auch deutsche Bürger*innen (ausländischen) Forstprojekten ihr Geld zur Verfügung und erhoffen sich neben einer nachhaltigen Geldanlage eine möglichst hohe Rendite. Teile Lateinamerikas mit ihren reichen Beständen an Tropenhölzern stehen im Fokus vieler Investitionsprojekte. Bei den Investitionsobjekten handelt es sich jedoch meist um Monokulturen, die zwar effizient zu bewirtschaften, aber alles andere als nachhaltig sind. Umweltschäden im Bereich Boden und Wasser durch die einseitige Bewirtschaftung zeichnen sich heute immer deutlicher ab. Ziel des Forschungsprojektes ist es, unmittelbare Waldinvestitionen im Hinblick auf ihre rechtliche Umsetzung, ihre rechtlichen Risiken und die Möglichkeiten einen nachhaltigeren Waldbewirtschaftung zu untersuchen.

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Biset Sena Güneş 

Wissenschaftliche Referentin

Mein aktuelles Forschungsthema, mit dem ich mich in meiner Doktorarbeit beschäftige, ist das Internationale Erbrecht: eine Rechtsvergleichung zwischen der Europäischen Erbrechtsverordnung und dem türkischen internationalen Erbrecht. Ein Todesfall ist ein trauriges Ereignis in unserem Leben - er ist aber eine Realität, die oftmals auch erbrechtliche Probleme mit sich bringt. Da viele Türk*innen in europäischen Ländern leben, kommt es häufig zu Problemen, die sowohl das europäische Recht als auch das türkische Recht betreffen: Stirbt zum Beispiel ein türkischer Staatsbürger in einem EU-Mitgliedstaat, der sowohl Güter in der Türkei als auch in dem Mitgliedstaat besaß, wird das erbrechtliche Problem in dem EU-Staat nach der Europäischen Erbrechtsverordnung gelöst, während das Problem in der Türkei nach den Regeln des IPR zu lösen ist. In diesem Fall könnten rechtliche Probleme über das anwendbare Recht und die Zuständigkeit aus dem Grund entstehen, dass die Türkei und die EU-Mitgliedstaaten verschiedene Regeln vorsehen. Dies führt aber dazu, dass im gleichen Fall unterschiedlich entschieden wird. In meinem Forschungsprojekt untersuche ich ausführlich das anwendbare Recht und die Zuständigkeit bei solchen Konflikten, um so praktische Lösungsansätze zu erarbeiten. 


Elena Dubovitskaya

Wissenschaftliche Referentin

Derzeit beschäftige ich mich mit dem Einfluss der Digitalisierung auf unser Privatrecht. Wie antwortet das Privatrecht auf die Fragen, welche die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft aufwirft? Dabei geht es um ganz unterschiedliche Themen: Von der Blockchain und Künstlicher Intelligenz bis zur Vererbung der Rechte an einem Social-Media-Account ist alles dabei. Es ist kein rein wissenschaftliches, sondern in erster Linie ein didaktisches Projekt: Es handelt sich um eine Ergänzungsveranstaltung für Jurastudierende, die angesichts der Pandemie im digitalen Videoformat angeboten wird. Auf diese Weise wird die rechtwissenschaftliche Lehre um neue Themen bereichert. Die angehenden Juristen werden auf die Probleme vorbereitet, mit denen sie in ihrem Berufsleben sicherlich konfrontiert werden.

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Bildnachweise: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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