Dekoloniale Rechtsvergleichung im Fokus der neuen RabelsZ

11. Februar 2022

Die Rechtsvergleichung, die sich lange Zeit als kosmopolitische, emanzipatorische Disziplin verstand, wird zunehmend mit einer kolonialen Haltung in Verbindung gebracht. In der neuen Ausgabe von Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (RabelsZ) stellen Institutsdirektor Ralf Michaels und British Academy Global Professor Lena Salaymeh die intellektuellen Beweggründe hinter ihrem Forschungsprojekt zur dekolonialen Rechtsvergleichung vor.

Die Ausgabe 86 der RabelsZ widmet dem Thema "Dekoloniale Rechtsvergleichung" einen Schwerpunkt mit drei aus dem Eröffnungsworkshop des Projekts „Decolonial Comparative Law“ erwachsenen Aufsätzen, die über die Verlagswebsite im Open Access verfügbar sind. In ihrem Artikel "Decolonial Comparative Law: A Conceptual Beginning" geben Michaels und Salaymeh einen Überblick über die Disziplin der Rechtsvergleichung und zeigen methodologische Sackgassen auf, die frühere kritische Ansätze nicht vermeiden konnten. Auf der Grundlage der dekolonialen Theorie sowie dekolonialer juristischer Analysen skizzieren sie Grundlagen für einen dekolonialen Ansatz in der Rechtsvergleichung.

Lena Salaymeh, Ralf Michaels, Decolonial Comparative Law: A Conceptual Beginning, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 86 (2022), 166–188.

Die beiden anderen Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt stammen von Autoren aus dem Globalen Süden. In seinem Beitrag "Decolonial Comparative Law: Thoughts from South Africa" problematisiert Emile Zitzke (University of the Witwatersrand, Johannesburg) einen in Südafrika weit verbreiteten Ansatz der Rechtsvergleichung, in dem stets nach Antworten aus dem europäischen Recht gesucht wird. Roger Merino (Universidad del Pacífico, Lima) stellt die Frage, wie Verfassungsrechtsvergleichung die Rolle von historisch unterdrückten und rassifizierten sozialen Bewegungen bei der Verfassunggebung erfassen kann. In seinem Beitrag "Constitution-Making in the Andes" untersucht er, wie die "koloniale Frage" das Ringen um Verfassungsbildung in den südamerikanischen Anden geprägt hat und den neuen plurinationalen Verfassungen von Bolivien und Ecuador zugrunde liegt.

Das aktuelle Heft enthält außerdem Aufsätze von Johannes Ungerer über Nudging im IPR, Johanna Caroon-Gestefeld über den Einfluss der Unionsbürgerschaft auf das Internationale Familienrecht, Jochen Hoffmann und Simon Horn über die Neuordnung des internationalen Personengesellschaftsrechts, Francesco Giglio über das dominium des römischen Rechts und das common law-Konzept von ownership sowie Jing Zhang über die funktionale Reform des chinesischen Rechts der Mobiliarsicherheiten. Hinzu kommt eine Reihe von Rezensionen aktueller Literatur aus den Bereichen Rechtsvergleichung und IPR.

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (RabelsZ) publiziert grundlegende Aufsätze zu allen Arbeitsgebieten des Instituts, neue Gesetzestexte, Abkommen und rechtsvergleichende Entwürfe sowie Rezensionen in- und ausländischer Fachliteratur. 1927 vom Gründungsdirektor Ernst Rabel ins Leben gerufen trägt die Institutszeitschrift seit 1961 seinen Namen.


Bildnachweis: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Ana Karolina Wolf

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