Veranstaltungen
Der nächste Afternoon Talk on Islamic Law
Afternoon Talks seit 2022
Gesamtübersicht: Afternoon Talks on Islamic Law seit 2013
Vergangene Konferenzen und Workshops
Konferenz „Succession in Islamic Law“ (2023)
Vom 30.-31. März 2023 fand am Institut eine internationale Konferenz zum Thema „Succession in Islamic Law“ statt. Die Konferenz wurde von der Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ unter der Leitung von Nadjma Yassari organisiert. Es ist, nach der gemeinsamen Tagung mit der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht (GAIR) im Oktober 2021 (siehe unten), bereits die zweite Veranstaltung des Erbrechtsprojektes „Von Generation zu Generation: Vermögenstransfer durch Erbrecht, Vertrag und religiöse Stiftungen im islamischen Recht“.
Die Konferenz brachte 19 Wissenschaftler*innen aus 15 Ländern und verschiedensten Bereichen der Sozial-, Geistes- und Rechtswissenschaften zusammen, um ihre Erfahrungen und Forschungsergebnisse bezüglich der generationsübergreifenden Übertragung von Vermögen in islamischen Rechtsordnungen auszutauschen. Dabei wurde ein neues, interaktiveres Format gewählt: Anstelle von Einzelvorträgen, gefolgt von offenen Diskussionen, gab es fünf aufeinanderfolgende thematische Panels, die jeweils die Forschung, die Disziplin, den methodischen Ansatz und die theoretische Perspektive der eingeladenen Panelist*innen durch übergreifende Themen, die von allen behandelt wurden, verbanden. Dieses Format erlaubte zugleich eine Diskussion zwischen den Panelist*innen selbst sowie zwischen ihnen und dem Publikum.
Unter dem Titel „Islamic succession law in practice: sources and methods“ beleuchtete das erste Panel Beweggründe und Akteure von Erbrechtsreformen. So erläuterten Monika Lindbekk (University of Southern Denmark) und Ahmed Fouad (British University in Egypt) am Beispiel Ägyptens, wie rechtliche und soziale Normen das Recht beeinflussen: zum einen das Recht von Frauen, unbewegliches Vermögen zu erben, und zum anderen das Recht von gesetzlichen Erben, durch letztwillige Verfügung bedacht zu werden. Auch Idris Nassery (Universität Paderborn) stellte seine Feldforschungsdaten über die Rechtsprechung zum Erbrecht unter den Taliban nach August 2021 in den sozialen und politischen Kontext Afghanistans. Schließlich zeigte Hüseyin Sağlam (Istanbul University) die Kontinuitäten in den erbrechtlichen Fatwas der Großmuftis im Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts auf.
Das zweite Panel war dem Thema „Pluralities of normative systems: between hierarchy and autonomy“ gewidmet und damit der Kontextualisierung des Erbrechts im Fall konkurrierender normativer Systeme. Yitshak Cohen (Ono Academic College Israel) und Najma Moosa (University of the Western Cape) stellten jeweils das Erbrecht Israels bzw. Südafrikas vor und stellten es in Bezug zum Familienrecht. Muhammad Zubair Abbasi (Bradford University) beleuchtete den Werdegang einer Erbrechtsreform in Pakistan, wonach einer kinderlosen schiitischen Witwe das Recht zugesprochen wurde, Grundbesitz zu erben. Béligh Elbalti (Osaka University) schließlich gab Beispiele für die Rechtspluralität im größeren Kontext des internationalen Privatrechts in arabischen Rechtsordnungen.
Am Ende des ersten Konferenztages führte David Powers von der Cornell University die Teilnehmer*innen mit einer Keynote in die frühe Erbrechtsgeschichte des Islams.
Der zweite Tag begann mit einem Panel zum Thema „Succession by other means“. Dabei ging es um Wege transgenerationaler Vermögensübertragung in Übereinstimmung mit, unter Missachtung von oder in Ergänzung zum Erbrecht, etwa durch Testamente, Schenkungen und Verträge. Maryam Ghanizade Bafghi (Kharazmi University Iran) stellte eine Vertragskonstruktion (solh-e omra) zur Umgehung des Erbrechts vor; Karim El Chazli (Swiss Institute of Comparative Law) die Nutzung von Schenkungen zur Regulierung des Vermögens in arabischen Gesetzgebungen; Gürer Karagedikli (Middle East Technical University Turkey) ergänzte den Blick mit seiner Analyse von fast tausend Testaments- und Schenkungsurkunden, die ebenfalls von der Kreativität im Umgang mit dem Erbrecht zeugen.
Im Mittelpunkt des vierten Panels „The role of waqf in succession law“ stand die Rolle von Familienstiftungen (waqf) im Kontext verschiedener familiärer Strukturen unter Berücksichtigung von Geschlechterdynamiken und wirtschaftlichen Interessen. Abdulla Niruvan Chalil (Jamia Millia Islamia University India) argumentierte, dass Stiftungen in matrilinearen Familien in Südindien eingesetzt werden, um das bestehende Verwandtschaftssystem aufrechtzuerhalten und sich gegen kolonial sanktionierte private Eigentumsrechte zu wehren. Necmettin Kizilkaya (Istanbul University) und Muhammad al-Marakeby (Indonesian International Islamic University) boten kontrastierende Perspektiven auf die Debatten muslimischer Rechtsgelehrter über den Familien-Waqf: Während Necmettin Kizilkaya zeigte, wie osmanische Gelehrte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts den waqf instrumentalisierten, um Frauen zu enterben, schilderte Muhammad al-Marakeby, wie malikitische Gelehrte Familienstiftungen, die ausschließlich Männern zugedacht waren, für unwirksam erklärten, um die Erbrechte von Frauen zu schützen. Schließlich analysierte Eirik Hovden (University of Bergen), wie der Familien-Waqf in zaiditischen fiqh-Texten in Bezug auf die Zulässigkeit eines Vermächtnisses an Erben diskutiert wurde.
Das fünfte Panel mit dem Thema „The encounter of various normative systems: a historical perspective“ befasste sich mit der Frage, wie Kolonialherrschaft das islamische Erbrecht in der Praxis der Gerichte geprägt hat. Dilyara Agisheva (Harvard Law School) verglich die Gerichtspraxis auf der Krim im 18. und 19. Jahrhundert vor und nach der russischen Herrschaft mit Fokus auf das Erbrecht von Frauen. Ari Schriber (University of Toronto) erörterte, wie sich koloniale Vorstellungen von religiösem Recht auf die Rechtsprechung zum Erbrecht von Muslimen im kolonialen Marokko des frühen 20. Jahrhunderts auswirkten. Samy Ayoub (University of Texas at Austin) schließlich beleuchtete, wie islamische Rechtssysteme im Ägypten des 19. und 20. Jahrhunderts Fragen des Erbrechts und der Übertragung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit freigelassenen Sklaven behandelten.
Insgesamt bot die Konferenz eine wertvolle Gelegenheit sowohl für die Panelist*innen als auch die Teilnehmer*innen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen und neue Perspektiven auf die Rolle des Erbrechts in muslimischen Gemeinschaften in der Vergangenheit und Gegenwart ebenso wie für künftige Generationen zu gewinnen.
Eine Veröffentlichung der Panelbeiträge in Form von Symposium Issues in verschiedenen Zeitschriften ist geplant.
Konferenz „Kurdish Family Law” (2022)
Vom 2.-4. Juni 2022 fand in der Tagungsstätte der Max-Planck-Gesellschaft, dem Harnack-Haus in Berlin, eine Konferenz zum kurdischen Familienrecht statt. Die von Shéhérazade Elyazidi (Mitarbeiterin der Forschungsgruppe) zusammen mit Sebastian Maisel (Universität Leipzig) organisierte Veranstaltung brachte ein international und interdisziplinär besetztes Expertengremium bestehend aus Akademiker*innen, Journalist*innen, Anwält*innen und Aktivist*innen zusammen.
Ziel der Konferenz war es, die neue Gesetzgebung und die rechtlichen Entwicklungen im Bereich des Familienrechts in den kurdisch dominierten Gebieten des Iraks, Syriens und der Türkei zu untersuchen. Die Ausrichtung der Konferenz stand in der Tradition der interdisziplinären Forschung der Forschungsgruppe. Neben Rechtswissenschaftler*innen waren Politikwissenschaftler*innen und Anthropolog*innen vertreten, die aus der Perspektive und den Theorien und Methoden ihrer Disziplin über Genesis und Entwicklung des kurdischen Familienrechts sprachen.
Vorträge der Konferenz-Teilnehmenden befassten sich u.a. mit der rechtlichen Behandlung von Kindern jesidischer Überlebender des IS-Völkermordes durch die Behörden im Irak und der KRI (Kurdische Region des Iraks) (Thomas McGee); dem Rechtsinstitut der Verstoßungsscheidung talāq im kurdischen Gebiet des Iraks und dessen Behandlung durch die so genannten Fatwa-Komitees (Andrew Bush); dem 2008 erlassenen irakischen Personalstatutsgesetz der Region Kurdistan (Bawar Bammarny; Wahbiya Zrar Asaad); dem Entwurf eines jesidischen Personalstatutsgesetzes im Irak (Matthew Travis Barber); der familienrechtlichen Praxis in der kurdischen Region Syriens (Rojava) (Davide Grasso) sowie der kurdischen Parallel-Gerichtsbarkeit in den kurdischen Gebieten der Türkei (Yeter Tan).
Eine der wichtigsten Erkenntnisse war die Feststellung, dass die vielgelobten Reformgesetze sich in ihrer Durchsetzung als schwierig erwiesen haben, auch wenn sie Meilensteine im Prozess der Kodifikation eines veränderten Rechtsverständnisses in familienrechtlichen Fragen darstellen. Die Frage, ob von einem spezifisch kurdischen Familienrecht gesprochen werden kann, blieb somit auch nach einem intensiven Austausch weiterhin offen.
Eine Veröffentlichung ausgewählter Beiträge in Form eines Symposium Issue ist für 2023 geplant.
Tagung „Das islamische Erbrecht: Mechanismen seiner Reform und soziale Praxis“ (2021)
Am 22. und 23. Oktober 2021 richtete die Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ unter der Leitung von Nadjma Yassari gemeinsam mit der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht (GAIR) eine Tagung zum islamischen Erbrecht am Institut aus. Die Tagung ist die erste Veranstaltung des Erbrechtsprojektes „Von Generation zu Generation: Vermögenstransfer durch Erbrecht, Vertrag und religiöse Stiftungen im islamischen Recht“ der Forschungsgruppe.
Seit 2020 beschäftigt sich die Gruppe verstärkt mit Fragen an der Schnittstelle zwischen Familienkonstellationen, Vermögen und dem Erbrecht. Diese Fragestellungen haben sich organisch aus den bisherigen Forschungen herauskristallisiert. Familie, Ehe und Elternschaft haben in den letzten Jahrzehnten große soziale Änderungen erfahren, die sich in Gesetzgebung und Rechtsprechung niedergeschlagen haben. Diese Rechtsreformen haben die Grundfesten eines traditionellen Familienbegriffes berührt und die Potentialitäten, „Familie“ anders zu denken, verstärkt. Dies hat auch Auswirkungen auf das Erbrecht. Die in Kooperation mit der GAIR ausgerichtete Tagung hatte daher das Ziel, Reforminitiativen und Mechanismen des Erbrechts sowie der Erbrechtspraxis in islamischen Ländern nachzuspüren. Ein erster Schwerpunkt lag dabei auf staatlichen und nichtstaatlichen Reforminitiativen, ein zweiter auf der Erbrechtspraxis und der Frage, wie Muslime im Rahmen des Vermögensübergangs islamisches Erbrecht einbeziehen und ausschließen.
Eröffnet wurde die Tagung von Prof. Dr. Irene Schneider, 1. Vorsitzende der GAIR und Professorin an der Georg-August-Universität Göttingen, und Nadjma Yassari, die das aktuelle Erbrechtsprojekt ihrer Forschungsgruppe vorstellte. Im Anschluss daran fand zunächst die pandemiebedingt verschobene Vergabe des GAIR-Dissertationspreises 2020 an Dr. Abdelaali El Maghraoui für seine Arbeit zum Thema „Geld im islamischen Erbrecht – Die Grundzüge einer Geldtheorie nach der Rechtslogik ausgewählter klassisch-muslimischer Gelehrter“ statt, die dieser daraufhin dem Publikum vorstellte. Des Weiteren wurde Frau Dr. Dr. h.c. Silvia Tellenbach vom MPI zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg für ihre langjährige Arbeit und ihre zahlreichen Beiträge für die GAIR geehrt.
Prof. Dr. Hans-Georg Ebert, emeritierter Professor der Universität Leipzig, beleuchtete zunächst in einem Einführungsvortrag die Grundlagen des sunnitischen Erbrechts und hob insbesondere Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Rezeption erbrechtlicher Regelungen in den arabischen Ländern hervor. Prof. Dr. Norbert Oberauer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster berichtete im Anschluss über religiöse Stiftungen (waqf) und deren Genese als islamisches Rechtsinstitut. Oberauer erläuterte, wie die Institution des waqf in der Frühzeit des Islams aus zwei Vorläufern, der sogenannten ḥabs fī sabīl Allāh, einer Stiftung zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes, und der sogenannten ʿumrā, einer Form der dauerhaften Zuwendung an natürliche Personen, entwickelt wurde. Erweitert wurde der Blick auf den waqf durch einen Vortrag von Dominik Krell, Mitarbeiter der Forschungsgruppe, zum waqf und den Rechten der Töchter im Saudi-Arabien der Gegenwart. Der Vortrag zeigte, inwieweit saudische Gelehrte und Gerichte Familienstiftungen erlauben, die lediglich Abkömmlinge in der väterlichen Linie begünstigen. Im Fokus stand hierbei die Frage, wie das islamische Erbrecht mittels solcher Familienstiftungen umgangen wird.
Den zweiten Veranstaltungstag eröffnete Dr. Imen Gallala-Arndt, ehemalige Mitarbeiterin der Forschungsgruppe, nun affiliiert am MPI für ethnologische Forschung Halle, mit einem Vortrag zur Reform des tunesischen Erbrechts. Gallala-Arndt illustrierte anhand von Beispielen aus der Geschichte Tunesiens den politischen und sozialen Kontext verschiedener Reformvorhaben der vergangenen Jahrzehnte und erläuterte, warum diese meist schwer umzusetzen waren. Mit einem Praxisbericht aus dem Iran stellte Khashayar Biria, Mitarbeiter der Forschungsgruppe, eine Vertragskonstruktion zur Regelung der Rechtsnachfolge außerhalb des Erbrechts vor. Die sogenannte ṣolḥ-e ʿomrā wird im Iran regelmäßig verwendet, um v.a. Immobilien vor Tod des Erblassers auf die Erben übergehen zu lassen. Biria zeigte, dass die maßgebliche Motivation hierfür die Umgehung der starren Regelungen des iranischen Erbrechts und die Vermeidung von Erbschaftssteuer ist. Zum Abschluss der Veranstaltung lieferte Dr. Andrea Issad, Notarin aus Heilsbronn, mit ihrem Vortrag zur Frage, ob islamische Testamente in Deutschland wirksam sind, einen Einblick in die Inhaltskontrolle von Testamenten im deutschen Erbrecht. Der Vortrag beleuchtete hierbei sowohl dogmatische Fragestellungen im deutschen Recht als auch wichtige praktische Herausforderungen bei der Einbeziehung islamischen Erbrechts in Testamente.
Workshop „Establishing Filiation: Towards a Social Definition of the Family in Islamic and Middle Eastern Law?“ (2017)
Im November 2017 trafen sich die Mitglieder der 2014 gegründeten Max Planck Working Group on Child Law in Muslim Countries zu einem Workshop in Beirut (Libanon), um Fragen der Abstammung und der Sorge für elternlose Kinder im islamischen Rechtskreis zu diskutieren (siehe auch: Projekt Abstammungsrecht und Adoption sowie Wissenschaftliche Kooperationen).
Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit dem Orient-Institut Beirut und dem CEDROMA (Centre d'études des droits du monde arabe) an der Université Saint-Joseph ausgerichtet. [mehr]
Die Teilnehmer präsentierten und diskutierten die zuvor in Auftrag gegebenen Länderberichte sowie die vier historischen und international-rechtlichen Beiträge. Die Analyse der Länderberichte erfolgte aus rechtsvergleichender Perspektive und orientierte sich an übergeordneten Fragestellungen, die mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsordnungen vertiefend erörtert wurden. Kurzvorträge der Working-Group-Mitglieder befassten sich u.a. mit der Abstammung, Pflegschaft und Adoption im vormodernen islamischen Recht und im gegenwärtigen Recht islamischer Länder, der Bedeutung von DNA-Tests sowie Fragen der Abstammung im internationalen Privatrecht islamischer Länder. Bei dem öffentlichen Vortragsteil an der Université Saint-Joseph wurde den Zuhörern u.a. ein Überblick über das Projekt sowie Vorträge zur Abstammung, Pflegschaft und Adoption im vormodernen (schiitischen) Recht sowie im gegenwärtigen Recht islamischer Länder am Beispiel dreier Rechtsordnungen (Irak, Libanon, Tunesien) präsentiert.
Durch diese Analyse und Diskussionen konnten die einzelnen Rechtsordnungen zueinander ins Verhältnis gesetzt und somit der Weg für eine vertiefende, rechtsvergleichende Untersuchung geebnet werden. Die Ergebnisse des Workshops sind 2019 in dem Sammelband "Filiation and the Protection of Parentless Children" erschienen.
Weitere Länderberichte und Teilaspekte des Workshops sind zusammen mit einer Einführung von Dörthe Engelcke und Nadjma Yassari in einem Symposium Issue des Cambridge Journal of Law and Religion erschienen.
Workshop „Parental Care and the Best Interests of the Child in Muslim Countries” (2015)
Thema der erste Phase der im Sommer 2014 gegründeten Max Planck Working Group on Child Law in Muslim Countries war der Grundsatz des Kindeswohls und seine rechtliche Entwicklung im Sorgerecht ausgewählter islamischer Länder (siehe auch: Projekt Sorgerecht und Kindeswohl sowie Wissenschaftliche Kooperationen).
Im April 2015 trafen sich die Mitglieder der Working Group erstmals zu einem Workshop in Marokkos Hauptstadt Rabat. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit dem vor Ort ansässigen Centre Jacques Berque pour les Études en Sciences Humaines et Sociales au Maroc ausgerichtet. Ziel des Workshops war es, die zuvor in Auftrag gegebenen Länderberichte sowie die historischen und internationalrechtlichen Beiträge zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren.
Die Analyse der Länderberichte erfolgte aus rechtsvergleichender Perspektive und orientierte sich an übergeordneten Fragestellungen, die mit Blick auf die unterschiedlichen Rechtsordnungen vertiefend erörtert wurden. Kurzvorträge der Working-Group-Mitglieder befassten sich unter anderem mit der Position des Kindeswohl-Prinzips in der mütterlichen Personensorge gegenüber der väterlichen Vormundschaft, mit den Voraussetzungen für den Entzug des Sorgerechts, mit interreligiösen Fallkonstellationen sowie Gender-Aspekten im Sorgerecht islamischer Länder. Durch diese Analyse konnten die einzelnen Rechtsordnungen zueinander ins Verhältnis gesetzt und somit der Weg für eine vertiefende, rechtsvergleichende Untersuchung geebnet werden.
Die Länderberichte und die Ergebnisse des Workshops wurden 2017 unter dem Titel „Parental Care and the Best Interests of the Child in Muslim Countries“ in englischer Sprache bei T.M.C. Asser Press publiziert.
Zuvor erschien unter dem Titel „Negotiating Parenthood in Muslim Countries: Changing Concepts and Perceptions” im Dezember 2015 bereits ein Symposium Issue im American Journal of Comparative Law, welches Teilaspekte des Workshops sowie die übergeordnete thematische Ausrichtung der Working Group präsentierte.
Konferenz „The Dynamics of Legal Development in Islamic Countries“ (2013)
Vom 17. bis 19. Oktober 2013 richtete die Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht eine Konferenz unter dem Titel „The Dynamics of Legal Development in Islamic Countries“ aus. Zu diesem Anlass reisten über 70 Rechtswissenschaftler*innen und Rechtspraktiker*innen aus 20 Ländern nach Hamburg, um die aktuellen rechtlichen Entwicklungen in islamischen Ländern kritisch zu beleuchten. Ziel der Konferenz war es, die Bedeutung und Funktionen unterschiedlicher Akteure bei der Rechtsentwicklung herauszuarbeiten.
Die Konferenz wurde nach einer Begrüßung durch den Direktor des MPI Professor Jürgen Basedow mit einer Keynote Speech durch Professor Chibli Mallat, University of Utah – Saint Joseph’s University Lebanon, eröffnet. In seinem Vortrag „Breaks and Continuities in Middle Eastern Law after the 2011 Revolutions“ ging Mallat insbesondere auf die Entwicklungen im Familien- und Verfassungsrecht seit dem Arabischen Frühling ein.
Der zweite Konferenztag begann mit einer Reihe von Vorträgen zur rechtlichen Entwicklung in ausgewählten islamischen Ländern (Dr. Nathalie Bernard-Maugiron – Ägypten, Professor Monia Ben Jémia – Tunesien, Professor Shaheen Sardar Ali – Pakistan) und mündete am Nachmittag in drei parallel abgehaltenen Workshops, welche die verschiedenen Akteure der Rechtsentwicklung (Gesetzgebung, Parteiautonomie und Justiz) näher beleuchteten. Die Ergebnisse der einzelnen Workshops wurden am nächsten Tag dem gesamten Plenum präsentiert und zur Diskussion gestellt.
Konferenzband „Changing God’s Law – The dynamics of Middle Eastern family law”
Die Ergebnisse der Konferenz liegen mit dem Sammelband „Changing God’s Law – The dynamics of Middle Eastern family law” vor. Die Publikation vereint Beiträge führender Rechts- und Islamwissenschaftler*innen, die aus unterschiedlichen Perspektiven das Familienrecht in über zehn Ländern erörtern.
In einem ersten Teil gibt der Band einen Überblick über die jüngsten familienrechtlichen Entwicklungen in islamischen Ländern und erläutert historische Zusammenhänge insbesondere vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings. Der zweite Teil zeichnet wichtige legislative Reformen im Familien- und Erbrecht an den Beispielen Ägypten, dem Iran sowie den arabischen Golfstaaten nach. Die Teile drei und vier gehen schließlich den Fragen nach, welche Rolle die Judikative bei der Fortentwicklung des Rechts spielt und inwieweit die Parteien selbst, zum Beispiel durch Eheverträge, das dispositive Recht abwählen und ihr Rechtsverhältnis privatautonom gestalten können.
Podiumsdiskussionen
Kulturelle Diversität und Familie in Deutschland: Ehe, Familienformen und Recht (2019)
In Kooperation mit Dr. Julia Moses vom Institut für Soziologie der Universität Göttingen organisierte die Forschungsgruppe im Juni 2019 am MPI in Hamburg eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema kulturelle Diversität und Familie in Deutschland. Dabei wurden vor allem die Entwicklungen der Familienpolitik der letzten Jahrzehnte in Deutschland, der normative und rechtliche Wandel, der damit einherging, sowie der Einfluss, den Migration auf diese Debatten und Entwicklungen hat, diskutiert. An der Diskussion auf dem Podium nahmen Patricia Arndt (Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V.), Prof. Dr. Norbert F. Schneider (Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung), Dr. Yafa Shanneik (Islamwissenschaftlerin, Universität Birmingham) und Ulrike Schaper (Juniorprofessorin für Kolonialgeschichte, Freie Universität Berlin) teil. Die Diskussion wurde von Dr. Nadjma Yassari geleitet.
A child’s right to filiation in Muslim jurisdictions: Social and legal implications (2017)
Im November 2017 fand in Beirut an der Université Saint-Joseph eine von der Forschungsgruppe und dem CEDROMA organisierte Podiumsdiskussion zu Fragen der Abstammung des Kindes in islamischen Rechtsordnungen statt. Am Beispiel dreier Rechtsordnungen (Irak, Libanon, Tunesien) wurden die potentiellen Modelle der rechtlichen Behandlung der Abstammung, Pflegschaft und Adoption vorgestellt sowie das vormoderne islamische Recht als Grundlage der Regelungen präsentiert. Den Kurzvorträgen folgte eine sehr angeregte Diskussion mit Praktikern, insbesondere Richtern und Geistlichen, im Publikum, die syrische Geflüchtete in den libanesischen Flüchtlingslagern betreuen.
Book Launches
Der von Nadjma Yassari, Lena-Maria Möller und Marie-Claude Najm herausgegebene Sammelband "Filiation and the Protection of Parentless Children: Towards a Social Definition of the Family in Muslim Jurisdictions" wurde am 4. Oktober 2019 bei einem Book Launch im Rahmen des 26. Internationalen DAVO-Kongresses in Hamburg vorgestellt. Die Veranstaltung wurde von den Mitherausgeberinnen Nadjma Yassari und Lena-Maria Möller moderiert und beinhaltete Vorträge ausgewählter Länderberichterstatter*innen, die an dem Projekt beteiligt waren sowie eine Einführung von Prof. Irene Schneider (Universität Göttingen).
Am 9. April 2019 stellte Dörthe Engelcke ihr Buch „Reforming Family Law: Social and Political Change in Jordan and Morocco” am Centre for Strategic Studies der University of Jordan vor. An der Buchvorstellung nahmen u.a. die Generalsekretärin der Jordanian National Commission for Women (JNCW), Vertreter internationaler Organisationen sowie Wissenschaftler*innen und Studierende der University of Jordan teil. Am 14. Juni 2019 folgte ein weiterer Book Launch am St Antony’s College der Universität Oxford.
Weitere Vortragsreihen
Vortragsreihe für den Landesverband der Hamburger Standesbeamten e.V.
Seit 2013 findet am Institut die von der Forschungsgruppe initiierte Fortbildungsveranstaltung „Aktuelle Entwicklungen des ausländischen und internationalen Familienrechts“ für den Landesverband der Hamburger Standesbeamten e.V. statt.
2019 standen Themen aus dem Familien- und Kindschaftsrecht sowie dem Namensrecht auf dem Programm. Shéhérazade Elyazidi referierte über die Auswirkungen des Zerfalls staatlicher Autorität auf die Eheschließung in den kurdischen Gebieten im Irak und in Syrien. Die Möglichkeit, sich aus erster Hand über neueste Rechtsentwicklungen im ausländischen Recht zu informieren, nutzten mehr als 70 Hamburger Standesbeamt*innen.
2016 lud die Forschungsgruppe die Hamburger Standesbeamt*innen zu einer Veranstaltung über aktuelle Entwicklungen des ausländischen und internationalen Familienrechts ein. Nadjma Yassari erläuterte Fragen der Anerkennungsfähigkeit von „Adoptionen“ aus islamischen Ländern; Lena-Maria Möller sprach zum Geltungsgrad von staatlichem und nichtstaatlichem Familienrecht in Syrien. Insgesamt besuchten rund 60 Standesbeamte und Standesbeamtinnen aus Hamburg die Veranstaltung.
2013 fand die erste Tagung der Veranstaltungsreihe statt. Lena-Maria Möller trug zu den jüngsten Entwicklungen im Familienrecht der arabischen Golfregion vor. Daneben sprach unter anderem Nataša Hadžimanović zu Fragen der Bigamie und des Güter- und Erbrechts Mazedoniens.
Islamic Law to Go
2015 fand die Vortragsreihe „Islamic Law to Go“ in Kooperation mit der Bucerius Law School statt. Sie geht auf eine Initiative der Studierenden der Bucerius Law School zurück, die sich eine intensivere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem islamischen Recht und dem geltenden Recht in den islamischen Ländern wünschten.
Die Reihe bestand aus vier Vorträgen:
Dr. Kilian Bälz (Amereller Rechtsanwälte, Berlin): Sharia Risiko? Wie das Islamic Banking das islamische Recht verändert
Dr. Nadjma Yassari: Quo Vadis, Sharia? Gedanken zum Familien- und Erbrecht in islamischen Ländern
Dr. Nahed Samour (Erik Castrén Institute of International Law and Human Rights, University of Helsinki): Who speaks Islamic International Law Today?
Dr. Lena-Maria Möller: Das islamische Strafrecht: Theorie und Praxis