Digitale Plattformen unter Beobachtung

Zwei Seiten des Atlantiks im Diskurs über neue Technologien, Verbraucherrecht und soziale Ungleichheit

Private Law Gazette 1/2022 - Vom Einkauf im Supermarkt über das Girokonto und den Versicherungsvertrag bis hin zur Freizeit- und Urlaubsgestaltung – bei so gut wie allen Aktivitäten des täglichen Lebens werden heute persönliche Daten erfasst und kommerziell verwertet. Die Pandemie hat diese Entwicklung erheblich beschleunigt. Eine Seminarreihe, getragen von einer gemeinsamen Initiative von fünf wissenschaftlichen Partnerinstitutionen, hat die sozioökonomischen Folgen der Digitalisierung in ihrem rechtlichen Umfeld beleuchtet. Mateusz Grochowski, wissenschaftlicher Referent am Institut, ist Mitinitiator dieser interdisziplinären Veranstaltungen, die von September 2021 bis April 2022 mit namhaften Panelist*innen aus Europa und den USA online abgehalten wurden.

Auf den Weg gebracht wurde die Reihe „Consumer Law, Technology and Inequality“ durch eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, die sich mit Fragen des Privatrechts, des Verbraucherschutzes und der digitalen Wirtschaft befassen. „Wir wollten über geografische und fachliche Grenzen hinweg einen Raum für den Austausch von Wissen, Ideen und Erfahrungen schaffen“, sagt Grochowski.

Technologischer Fortschritt und das Wachstum der Digitalunternehmen haben nicht nur die Wirtschaftslandschaft tiefgreifend verändert. Die Gesellschaften diesseits und jenseits des Atlantiks verzeichnen eine wachsende Ungleichheit von Einkommen, Vermögen und sozialen Chancen. „Die zunehmende Nutzung persönlicher Daten durch Unternehmen und eine sich verschärfende soziale Ungleichheit stehen in einem klaren Zusammenhang. Deshalb wollten wir beide Entwicklungen gemeinsam analysieren“, fasst Grochowski die Thematik der Seminarreihe zusammen.

Kooperation zwischen New Haven, Hamburg, Florenz, Berlin und Krakau

Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht hat sich mit dem Yale Law School Center for the Study of Private Law, der Jagiellonen-Universität in Krakau, der Freien Universität in Berlin und dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz zusammengetan, um öffentliche Diskussionen zwischen europäischen und US-amerikanischen Wissenschaftler*innen, politischen Entscheidungsträger*innen und sozialen Aktivist*innen zu moderieren. Die Partnerinstitutionen wurden durch Prof. Dr. Daniel Markovits (Yale), Dr. Przemysław Pałka (Krakau), Prof. Dr. Bertram Lomfeld (Berlin) und Prof. Dr. Hans-Wolfgang Micklitz (Florenz) vertreten.

Perspektiven aus Recht, Wirtschaft und Gesellschaft

Die Themen im Fokus der einzelnen Seminare spannten einen Bogen vom Datenschutz über Finanzdienstleistungen bis hin zur Bedeutung der Digitalwirtschaft und der Internetkonzerne im Kontext von sozialer Ungleichheit und Verbraucherrechten. Konkret beleuchtet wurden signifikante Schauplätze und Trends: Welche gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen hat der massenhafte Erwerb von Waren und Dienstleistungen über das Internet? Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien? Was passiert, wenn personenbezogene Daten als Währung eingesetzt werden? “Wir wollten den Einfluss der neuen Technologien auf den Verbrauchermarkt ganzheitlich erfassen. Dabei war es uns wichtig, die Diskussion über den Rahmen der akademischen Debatte hinaus zu erweitern”, sagt Grochowski. “So konnten wir sowohl über die Problemdiagnosen als auch die rechtspolitischen Lösungsansätze einen sehr lebhaften und anregenden Diskurs entfachen.”

Geteilte Beobachtungen, unterschiedliche Antworten

Die Beobachtung zweier Phänomene prägte die Diskussion während der gesamten Gesprächsreihe: Erstens spielen Verbraucherrechte eine größere Rolle bei der Bekämpfung zunehmender wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit sowie bei der Förderung sozialer Gerechtigkeit, als gemeinhin angenommen wird. Zweitens verspricht eine wachsende „Legal Tech for Good“-Bewegung, Verbraucher*innen und deren Interessensverbände zu stärken. Die Antworten der Jurist*innen und politischen Entscheidungsträger*innen auf beiden Seiten des Atlantiks weisen viele Gemeinsamkeiten auf, obwohl sie auf teilweise unterschiedlichen Ansätzen und Wertvorstellungen darüber beruhen, wie das Recht hier eingreifen kann und soll.

Starke Resonanz

Die Veranstaltungsreihe stieß sowohl in der EU als auch in den USA auf großes Interesse. „Wir hatten jedes Mal viele Teilnehmende, die sich aus den verschiedenen Zeitzonen diesseits und jenseits des Atlantiks einwählten und ihre unterschiedlichen Sichtweisen einbrachten. Die offenen Fragerunden wurden intensiv genutzt, und es gab jede Menge spontanen Austausch, der mehrmals unseren ursprünglichen Zeitrahmen sprengte“, berichtet Grochowski, der zwei der Seminare als Moderator leitete. „Auch aufgrund dieser Resonanz sind wir derzeit im Gespräch über eine mögliche Fortsetzung im Zeitraum 2022/23.“


Dr. Mateusz Grochowski, LL.M. (Yale)
, ist Affiliated Fellow im Information Society Project an der Yale Law School und Mitglied der Forschungsgruppe zum Recht der digitalen Dienste am European Law Institute. Bevor er 2020 ans Institut kam, war er Emile-Noël-Fellow an der New York University, Edmond-J.-Safra-Fellow an der Universität Tel Aviv sowie Max-Weber-Fellow am Europäischen Hochschulinstitut. Er lehrte unter anderem an der Fordham University School of Law, der Universität Münster, der Universität Trient, dem Europäischen Hochschulinstitut, der Universität Breslau und dem Europakolleg.



Grafik: Elemente © shutterstock / shumbrat

Portrait Mateusz Grochowski: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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