Vernetzte Geräte und digitale Sachherrschaft

Unterläuft das Internet der Dinge den Schutz von Besitz und Eigentum?

Private Law Gazette 1/2022 - Vernetzte Geräte prägen zunehmend unseren Alltag: Intelligente Lautsprecher, Alarmanlagen und andere Smart-Home-Anwendungen, aber auch vernetzte Fahrzeuge oder Gesundheits- und Fitness-Tracker sind Beispiele für das Internet der Dinge, das sich zu einer der führenden Technologien des 21. Jahrhunderts entwickelt hat. Konrad Duden, wissenschaftlicher Referent am Institut, geht in seiner Habilitationsschrift der Frage nach, inwiefern Eigentum beziehungsweise Besitz an einem vernetzten Gerät den Nutzer beim software- oder netzbasierten Gebrauch schützt.

Das Internet der Dinge schafft neue Nutzungsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle. Die Vernetzung gibt Anbietern eine dauerhafte Einwirkungsmöglichkeit: Sie können Geräte sperren, indem sie die integrierte Software oder den Cloud-Zugang blockieren. „Es kommt hier zu einer Spaltung der Herrschaft über Sachsubstanz und Sachfunktion. Der Anbieter kann de facto ein Hightech-Endgerät zu Elektroschrott verwandeln“, sagt Duden, der mit seiner Forschung die unterschiedlichen Facetten einer potenziellen Aushöhlung des Sachenrechts beim digitalen Gebrauch elektronischer Geräte beleuchtet. „Die mit der Vernetzung einhergehenden Kontroll- und Sperrmöglichkeiten beschränken sich nicht auf Konsumgüter. Sie bestehen überall in der Industrie 4.0.“

Aufsehen erregte etwa jüngst der Landmaschinenhersteller John Deere in den USA, wo Farmer sich gerichtlich dagegen wehren, dass sie elektronisch steuerbare Traktoren nicht mehr selbst oder mithilfe unabhängiger Werkstätten warten und reparieren können. Die Freischaltung von Ersatzteilen liegt vollständig in der Hand von autorisierten Technikern. Auf Diagnostik- und Reparatursoftware haben nur noch Händlerwerkstätten Zugriff.

Schutz der Funktionsfähigkeit

Smart-Home-Anwendungen, wie Kühlschränke, Beleuchtung oder Türschlösser, die auf der Basis von Software-Abos angeboten und jederzeit einseitig abgeschaltet werden können. Pkw-Ausstattungen, wie Sitzheizungen oder Einparkhilfen, die nur durch kostenpflichtige Zubuchung aktiviert werden können. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wächst auch das Spektrum der Möglichkeiten, mit denen Hersteller und Anbieter die Nutzung digitaler Endgeräte steuern können. Wie wird ihr störungsfreier und bestimmungsmäßiger Gebrauch nach geltendem Zivilrecht geschützt?

Abhilfe beim Umgang mit solchen Eingriffen kann das Vertragsrecht leisten, auch in Form von zwischen dem Anbieter und dem Nutzer geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Doch was, wenn gar kein Vertrag mit dem Anbieter besteht, etwa weil der Nutzer das Gerät vom Ersterwerber übernommen hat? Dann stellt sich die Frage, inwiefern Eigentum und Besitz den Nutzer beim digitalen Gebrauch des Gerätes schützen. „Perspektivisch stellt sich hier die Frage nach der Bedeutung des Sachenrechts in einer zunehmend digitalisierten Welt“, sagt Duden.

Gesperrte Software oder blockierte Netzanbindung

Im Hinblick auf den Schutz vor externen Zugriffen ist grundsätzlich zwischen einer Beeinträchtigung des softwarebasierten und des netzbasierten Gebrauchs zu unterscheiden. Zwei Grundkonstellationen sind denkbar: Zum einen kann der Anbieter die netzbasierte Nutzung unterbinden, etwa durch das Blockieren des Zugangs zu einem Cloud-Server. Zum anderen kann er die im Gerät integrierte Software sperren, sodass das Gerät selbst nicht mehr funktionsfähig ist. Dadurch wird der softwarebasierte Gebrauch des Geräts unmöglich, was die Funktionsfähigkeit der Sache selbst betrifft. Wird die Software als körperlicher Teil eines digital nutzbaren Geräts verstanden, greift der sachenrechtliche Schutz.

Beim sachenrechtlichen Schutz kommt es somit darauf an, ob es sich um einen – weitgehend geschützten – softwarebasierten Gebrauch oder einen – weitgehend nicht geschützten – netzbasierten Gebrauch handelt. „Rechtspolitisch ist dieses Ergebnis unbefriedigend“, stellt Duden fest. „Schließlich hängt es von der durch den Anbieter weitgehend frei bestimmbaren Produktgestaltung ab, inwiefern die für einen Gebrauch notwendige digitale Infrastruktur in einem Gerät integriert oder auf einen Cloud-Server ausgelagert ist. Er kann daher entscheidend beeinflussen, wie weit der Nutzer beim Einsatz des Geräts sachenrechtlich geschützt ist.“

Mehr Schutz für netzbasierten Gebrauch

In seiner Abhandlung kommt Duden zum nüchternen Befund, dass das geltende Recht den Nutzer beim netzbasierten Gebrauch elektronischer Geräte nicht ausreichend schützt. Er formuliert erste Vorschläge, wie verhindert werden könnte, dass Anbieter den sachenrechtlichen Schutz durch ihre Produktgestaltung aushöhlen. Denkbar seien zunächst gesetzgeberische Maßnahmen, etwa im Hinblick auf die Regulierung von Cloud-Servern, vergleichbar mit der Regulierung des Strom- oder Telekommunikationsnetzes. Darüber hinaus könnten Instrumente des Privatrechts herangezogen werden, die gewährleisten, dass nicht nur der jeweilige Vertragspartner des Anbieters, sondern auch andere Nutzer des Gerätes Ansprüche gegen den Anbieter geltend machen können. So würde zwar kein dinglicher Rechtsschutz eröffnet und eine Aushöhlung des sachenrechtlichen Schutzes nicht gänzlich verhindert. Ihre Folgen würden jedoch zumindest abgefedert.



Priv.-Doz. Dr. Konrad Duden, LL.M. (Cambridge) forscht seit 2012 am Institut. 2015 wurde er für seine Dissertation zum Thema „Leihmutterschaft im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht“, mit der er an der Universität Heidelberg promovierte, unter anderem mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft und dem Gerhard-Kegel-Preis der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht ausgezeichnet. Er ist Mitglied der „Zukunftsfakultät“ von „Recht im Kontext“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2021 wurde er von der Universität Hamburg habilitiert.



Grafik:
© shutterstock / buffaloboy

Portrait Konrad Duden: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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