Internationaler Tag der Frau – Perspektiven für die Rechtswissenschaft

Internationaler Tag der Frau – Perspektiven für die Rechtswissenschaft

8. März 2024

Seit über 100 Jahren können Frauen in Deutschland Jura studieren. Heute gilt Chancengleichheit für Frauen in Wissenschaft und Forschung nicht nur als Ausdruck sozialer Gerechtigkeit, sondern auch als Faktor für Innovations- und Zukunftsfähigkeit. Obwohl der Frauenanteil unter den Jurastudierenden inzwischen bei rund 60 Prozent liegt, gibt es immer noch vergleichsweise wenige Professorinnen. Zum 1. Januar 2024 wurde mit Professorin Anne Röthel zum ersten Mal eine Frau in das Direktorium des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht berufen. Welche Perspektiven sieht sie für Frauen in der Rechtswissenschaft?

Wie profitiert die Rechtswissenschaft von mehr Frauen in ihren Reihen?

Anne Röthel: Ganz einfach: Mehr Frauen in der Rechtswissenschaft bedeutet mehr Diversität. Und Diversität begünstigt eine Weitung der Forschungsperspektiven, wie es der Wissenschaftsrat formuliert hat. Man kann es auch konkreter fassen: Durch mehr Frauen in der Rechtswissenschaft erhöhen sich die Chancen darauf, dass die Rechtswissenschaft näher an der Gesellschaft ist. Und das ist gerade für eine gesellschaftlich so einflussreiche Wissenschaft bedeutungsvoll. Schließlich erforscht sie, wie Recht entsteht, was es bewirkt und wie es sich entwickelt. Außerdem sucht sie Antworten darauf, was gutes Recht ausmacht. Das bedeutet aber zugleich, dass die Verwirklichung von „mehr Frauen“ in der Rechtswissenschaft nur ein erster Schritt in Richtung Diversität ist.

Was brauchen Frauen, um in der Rechtswissenschaft sichtbarer und einflussreicher zu werden?

Anne Röthel: Ich glaube, dass Sichtbarkeit zunächst den Mut voraussetzt, die Stimme zu erheben und sich sichtbar und hörbar zu machen. Außerdem braucht es Fördernde und vor allem Netzwerke. Einfluss hat nach meiner Erfahrung in der Rechtswissenschaft viel mit Renommee zu tun, und dieses Renommee entsteht auf nicht immer ganz leicht durchschaubare Weise. Dabei spielt eben nicht nur akademische Exzellenz eine Rolle. Wer weiß schon genau, wie man diese erkennt? Es geht auch um Faktoren wie akademische Herkunft, also die Frage: „Wer kommt von wem?“ Oder dass jemand in bestimmten Formaten publiziert hat – etwa in den sogenannten Archivzeitschriften – und zu bestimmten Tagungsformaten eingeladen wird. Das zeigt, wie wichtig es für junge Frauen ist, dabei beraten zu werden. Es braucht also nicht nur Empowerment im Sinne von „gut zureden“. Daran fehlt es wohl nicht. Sondern auch strategische Förderung und Beratung.

Was raten Sie jungen Rechtswissenschaftlerinnen auf dem Weg in Richtung Wissenschaft?

Anne Röthel: Suchen Sie sich bewusst ein Umfeld, das Sie fördert, mentoriert, strategisch berät und Sie ermutigt. Und was das Fachliche angeht: Vermeiden Sie Vorfestlegungen und bleiben Sie auch hier strategisch. Das kann ich nicht oft genug betonen. Die entscheidenden Fragen sollten sein: Wo liegen meine besonderen Fähigkeiten? Was bringe ich mit, das andere nicht mitbringen? Wo spielt die wissenschaftliche Musik in fünf Jahren? Man wird sich eher wissenschaftlich durchsetzen, wenn man in einem Feld unterwegs ist, das als relevant wahrgenommen wird. Und noch ein Wort zur Lehre: Werten Sie es als Trumpf, dass man Frauen hier zumeist einige Befähigung und Authentizität zuspricht. Damit will ich nicht sagen, dass sich Wissenschaftlerinnen auf Vorschusslorbeeren ausruhen sollen. Meine Erfahrung ist aber, dass junge Frauen besonders viel Kraft und Zeit in die Lehre stecken, mitunter auf Kosten der wissenschaftlichen Wahrnehmung.




Bildnachweise:

Headerbild: © shutterstock/AJP
Anne Röthel: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Patrice Lange

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