Kompetenzzentrum Japan:Juristische Forschung am Puls wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen

Kompetenzzentrum Japan:
Juristische Forschung am Puls wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen

Das in Deutschland wie in Europa verfügbare Wissen über das Recht Japans steht in einem Missverhältnis zur Bedeutung des Landes: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich Japan in einem atemberaubenden Tempo von einem zerstörten und verarmten Land zu einer der bedeutendsten Wirtschaftsmächte der Welt und einer der asiatischen Führungsnationen entwickelt.

Das Kompetenzzentrum Japan des Hamburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht ist eine der wichtigsten europäischen Anlaufstellen für juristische Fragestellungen zum japanischen Zivil-, Handels- und Wirtschaftsrecht. Der Gründer und Leiter des Zentrums, Prof. Dr. Harald Baum, sowie seine Mitarbeiterin Anna Katharina Suzuki-Klasen beschäftigen sich intensiv mit japanbezogener Rechtsvergleichung und Auslandsrechtsforschung.

Warum ist die rechtsvergleichende Forschung zum japanischen Recht so wichtig?

Harald Baum: „Japan hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte eine führende Position unter den bedeutendsten Wirtschaftsmächten der Welt erarbeitet und ist heute wieder eine der Führungsnationen in Asien. Die anhaltende Bedeutung Japans und damit auch implizit die seines Rechts steht außer Frage. Hinzu kommt, dass Japan als einziges asiatisches Land seit mehr als einem Jahrhundert über ein modernes, funktionsfähiges Rechtssystem westlicher Prägung verfügt, das seit Jahrzehnten in eine demokratisch verfasste Gesellschaft eingebettet ist. Die Strahlkraft des Rechts Japans in andere Staaten Ostasiens war und ist erheblich.“

Zwischen Japan und Deutschland besteht seit über 150 Jahren eine freundschaftliche und historisch unbelastete Beziehung. Was bedeutet dies für Ihre Forschung?

Harald Baum: „Die Beziehung zwischen Japan und Deutschland ist seit jeher auch vom Rechtsaustausch geprägt. Das deutsche BGB hat das japanische Zivilgesetz an vielen Stellen beeinflusst. Umgekehrt wächst das Interesse am japanischen Recht in Deutschland stetig. Die Tradition des Austausches gilt es weiterzuentwickeln. Zudem bietet die rechtliche Zusammenarbeit auch die Möglichkeit, das deutsche Engagement in der asiatischen Region zu vertiefen.

Dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir auf die Herausforderungen, die aus der stetig zunehmenden politischen wie wirtschaftlichen Bedeutung Asiens in Zukunft erwachsen, reagieren können. Zutreffend wird das 21. Jahrhundert oft als das „asiatische“ bezeichnet.


Kürzlich erschienen:

Keizo Yamamoto, Yuko Nishitani, Harald Baum (Hrsg.), Gegenwärtiger Stand und Aufgabe der Privatautonomie in Japan und Deutschland (Zeitschrift für Japanisches Recht, Sonderheft 14), Carl Heymanns Verlag, Köln 2019, VI + 168 S.

siehe auch: Privatautonomie und Eigenverantwortung als Rechtsgrundsätze im deutsch-japanischen Rechtsvergleich


Was macht die Forschung zum japanischen Recht spannend?

Harald Baum: „Für rechtsvergleichend arbeitende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es immer besonders spannend Länder oder Regionen zu untersuchen, in deren Rechten verschiedene Traditionen aufeinandertreffen. In diesem Sinne ist es von besonderem Reiz, dass das moderne japanische Recht eine sogenannte Mischrechtsordnung ist, in der sich viele unterschiedliche Einflüsse, insbesondere aus Europa und den USA, widerspiegeln. Ich untersuche also eine Rechtsordnung, die westlich beeinflusste Normen in einem anderen kulturellen und sozialen Umfeld anwendet. Eine seriöse Erforschung des japanischen Rechts ist daher nur möglich, wenn bei aller Modernität desselben auch kulturanthropologische, soziale, ökonomische und auch politische Aspekte berücksichtigt werden. Diese Komplexität reizt uns.“

Anna Katharina Suzuki-Klasen: „Durch die rechtsvergleichende Analyse lassen sich Lösungswege fremder Rechtsordnungen besser erfassen. Als durch Einflüsse aus diversen – insbesondere westlichen – Rechtstraditionen geprägtes hybrides Rechtssystem bietet sich das japanische Zivilrecht für einen Vergleich mit unterschiedlichen europäischen Rechtsordnungen besonders an. In meinem Promotionsvorhaben beschäftige ich mich mit den Regelungen des Vertragsschlusses im englischen, deutschen und japanischen Privatrecht. Beispielsweise ist die Wirksamkeit von Verträgen im japanischen Recht trotz des großen Einflusses des BGB kaum an formale Anforderungen geknüpft. Auch wird im Geschäftsverkehr eine Siegelung mit persönlichen Siegeln der handschriftlichen Unterschrift vorgezogen. Hier wird eine von traditionellen japanischen Ordnungsvorstellungen geprägte Rechtsmentalität deutlich. Besonders reizvoll ist, wie im japanischen Recht eigene Traditionen mit verschiedenen westlichen Konzepten verbunden und weiterentwickelt wurden.“

Wie finden, angesichts des wachsenden Interesses am Recht Japans, Erkenntnisse über die japanische Rechtsentwicklung Eingang in die internationale Forschung und Praxis?

Harald Baum: „Zu den wesentlichen Aufgaben der am Institut betriebenen Rechtsvergleichung mit Japan gehört die Schaffung einer Plattform, die verlässliche Informationen zum japanischen Recht in westlichen Sprachen zur Verfügung stellt. Dies ist mit der Konzeption, Realisierung und internationalen Verankerung der „Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law“ gelungen, die wir seit 1996 herausgeben. Sie ist die weltweit einzige Publikation, die regelmäßig, zeitnah die vielfältigen Entwicklungslinien des japanischen Rechts in westlichen Sprachen dokumentiert, analysiert und in einem methodisch wie formal breit gefächerten Ansatz zugänglich macht.“


Harald Baum ist Professor an der Universität Hamburg, Koordinator des Wissenschaftsaustausches zwischen der Universität Kyoto und dem Max-Planck-Institut für Privatrecht sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Interdisziplinären Zentrums für Ostasienstudien (IZO) an der Goethe Universität, Frankfurt am Main.

Er engagiert sich unter anderem als Vizepräsident der Deutsch-Japanischen Juristenvereinigung sowie als Member of the Advisory Board of the Australian Network of Japanese Law (ANJeL), als Research Associate of the European Corporate Governance Institute in Brüssel und als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht. Er ist Gründungsschriftleiter der „Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law“.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht