Europa, mit Recht! –  Wie das Institut die Rechtsentwicklung in Europa begleitet

Europa, mit Recht! –
Wie das Institut die Rechtsentwicklung in Europa begleitet

 

4. Mai 2018

Mit dem Europatag am 9. Mai feiert die Europäische Union den Frieden und die Einheit in Europa. Grundlage der Union ist die enge Zusammenarbeit zwischen den Nationen. Da das Privatrecht innerhalb der EU nicht einheitlich geregelt ist, treffen bei grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, bei der Verflechtung multinationaler Finanzunternehmen oder auch durch internationale familiäre Beziehungen verschiedene nationale Rechtsordnungen aufeinander. Seit den 1980er Jahren gibt es Bestrebungen, ein einheitliches Privatrecht für Europa zu entwickeln, insbesondere im Vertragsrecht – ein Vorhaben, das vorerst aufgegeben wurde.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht haben es sich zur Aufgabe gemacht, die wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen Europas zu untersuchen und die Rechtsentwicklung kritisch zu begleiten:

Commentaries on European Contract Laws

Im Verlauf der vergangenen vierzig Jahre sind eine ganze Reihe von Entwürfen für ein Europäisches Vertragsrecht vorgelegt worden: Von den Principles of European Contract Law über den Draft Common Frame of Reference bis hin zum Common European Sales Law. Hinzu kommen die Richtlinien des europäischen Gesetzgebers im Bereich des Verbrauchervertragsrechts, auf eine globale Rechtsvereinheitlichung abzielende Entwürfe wie die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts und eine Reihe weiterer Texte. Nachdem die Europäische Kommission den Versuch einer Kodifizierung des europäischen Vertragsrechts nunmehr (vorerst) aufgegeben hat, ist es Zeit für die Wissenschaft, Bilanz zu ziehen und Orientierung zu bieten. Das unternimmt ein im Sommer bei Oxford University Press erscheinendes Grundlagenwerk, das von Reinhard Zimmermann und Nils Jansen herausgegeben wird und an dem zwanzig Autoren mitgewirkt haben, ganz überwiegend akademische Schüler eines der beiden Herausgeber.

Unter dem Titel „Commentaries on European Contract Laws“ werden die Textstufen des europäischen Vertragsrechts einerseits in ihrer Genese rekonstruiert und in ihren Formulierungen und Wertungen miteinander verglichen. Andererseits werden sie in Beziehung zu ihrem historisch-vergleichenden Hintergrund gesetzt. Dabei bieten die Principles of European Contract Law, ergänzt um das europäische Richtlinienrecht, den hermeneutischen Ausgangspunkt und Orientierungsrahmen. Gefragt wird, unter anderem, inwieweit diese Texte sich tatsächlich als Konkretisierung eines europäischen common core verstehen lassen. Gleichzeitig wird aufgezeigt, in welche Richtung bei künftigen Bemühungen um ein europäisches Vertragsrecht weitergedacht werden sollte.


Kontopfändung EU-weit

Findige Schuldner konnten sich bisher leicht der Kontopfändung entziehen, indem sie ihr Konto in einem Mitgliedstaat auflösten und in einem anderen neueröffneten. Die sehr unterschiedlich ausgestalteten Zwangsvollstreckungssysteme der Mitgliedstaaten machen es Gläubigern schwer, ihre Forderungen über die Grenze hinweg einzutreiben. Die Europäische Kontenpfändungsverordnung (Verordnung Nr. 655/2014) schafft neben den Vollstreckungsverfahren der Mitgliedstaaten ein unionsweit einheitliches Verfahren zur vorläufigen Sperrung von Konten. Dieses Verfahren führt zwar nicht dazu, dass die Forderung beglichen wird. Es verhindert aber, dass der Schuldner Geld abhebt oder überweist.

Dr. Denise Wiedemann hat die Verordnung im EuZPR-EuIPR-Kommentar (Sellier, 4. Auflage 2015) bearbeitet. Derzeit untersucht sie die ersten praktischen Auswirkungen der Verordnung seit ihrem Inkrafttreten am 28. Januar 2017.


EU-Recht und Familienrecht

Der Forschungsschwerpunkt von Dr. Samuel Fulli-Lemaire ist das Familienrecht – ein Gebiet, das nicht eben auf den ersten Blick mit dem Europarecht in Verbindung gebracht wird. Oft meint man, das Familienrecht läge nicht einmal im Zuständigkeitsbereich der EU. Doch dies ist irreführend: Denn die meisten Regeln, die auf grenzüberschreitende Familienfälle angewendet werden – nämlich die Rechtsvorschriften des Internationalen Privatrechts – sind in EU-Verordnungen festgelegt. Diese sind somit vollständig europäisch vereinheitlicht.

Selbst in den Bereichen, in denen die EU tatsächlich keine Kompetenz hat, muss die Freizügigkeit, die den EU-Bürgern durch Artikel 21 AEUV garantiert wird, respektiert werden. Beispielsweise stellt sich daher die Frage, ob einem gleichgeschlechtlichen Paar die Anerkennung der in einem anderen europäischen Land gültig geschlossenen Ehe verweigert werden darf, wenn das Paar von seinem Heimatland innerhalb der EU in einen anderen EU-Staat zieht, in dem eine solche Eheschließung (noch) nicht zugelassen ist. Die für grenzüberschreitende Fälle geltenden Vorschriften prägen oft auch darüber hinaus die nachfolgenden nationalen Reformen. Diese Fragen stehen daher im Mittelpunkt der aktuellen familienrechtlichen Forschung.


25 Jahre „Zeitschrift für Europäisches Privatrecht“

Am 4. und 5. Mai 2018 findet ein wissenschaftliches Symposium zum 25-jährigen Bestehen der „Zeitschrift für Europäisches Privatrecht“ im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht statt. Thema der zweitägigen Veranstaltung ist die Neuorientierung im Europäischen Privatrecht. Auf dem Programm stehen unter anderem Vorträge zu den Folgen des Brexit für das englische und das Europäische Privatrecht sowie zur Ausdehnung des Europäischen Privatrechts auf Drittstaaten.

Die „Zeitschrift für Europäisches Privatrecht“ (ZEuP) wurde im Jahr 1993 gegründet und ist seitdem über den deutschen Sprachraum hinaus ein führendes Forum für die Europäisierung des Privatrechts und der Privatrechtswissenschaft. In vierteljährlicher Erscheinungsweise befasst sich die ZEuP mit Grundlagen und aktuellen Entwicklungen des EU-Rechts mit Privatrechtsbezug, der Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte, der Rechtsvereinheitlichung, des Internationalen Privatrechts sowie einzelner europäischer Privatrechtsordnungen. Herausgeber sind Jürgen Basedow, emeritierter Direktor des Instituts, Reinhard Zimmermann, Direktor des Instituts, Eva-Maria Kieninger, Reiner Schulze, Gerhard Wagner und Marc-Philippe Weller.


Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts

Das in den vergangenen zwanzig Jahren entstandene europäische Regelungsgeflecht ist bruchstückhaft und verfolgt kein übergreifendes systematisches Konzept. Als Antwort auf diese Entwicklung haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Instituts in jahrelanger Forschungsarbeit und in Zusammenarbeit mit 120 Autoren 2009 das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts herausgegeben. Mit seinen 473 Stichwort-Artikeln schafft das Handbuch eine nachhaltige Grundlage für eine Systematisierung des europäischen Privatrechts. Die Stichwort-Artikel umfassen sämtliche Bereiche des Privatrechts und strukturieren diese unter Berücksichtigung der rechtshistorischen und rechtsvergleichenden Dimensionen sowie unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung europäischen Einheitsrechts. Bis heute ist es sowohl in seiner Bandbreite als auch in seinem methodischen und systematischen Ansatz einzigartig und stellt der Rechtswissenschaft, aber auch der Rechtspraxis wertvolle Informationen in komprimierter und leicht zugänglicher Weise zur Verfügung.

Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt, Reinhard Zimmermann (Hrsg.)Martin Illmer (Hrsg.), Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Mohr Siebeck, Tübingen 2009, LXXIV + 1991 S.

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