China zwischen Öffnung und Kontrolle – Symposium zu den aktuellen rechtlichen Entwicklungen

Hamburger CHINA TIME 2018

Um die aktuellsten Entwicklungen und ihre Implikationen aus juristischer Perspektive zu beleuchten, fand im Institut am 21. September 2018 in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung und dem Ostasiatischen Verein das Symposium „China im Zeitalter der Digitalisierung zwischen Öffnung und Kontrolle“ statt. Das Symposium, das im Rahmen der Hamburger CHINA TIME veranstaltet wurde, traf auf reges Interesse, was sich nicht zuletzt an über 90 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern widerspiegelte.

China schickt sich an, zur wirtschaftlichen, technologischen und politischen Weltmacht aufzusteigen. Seit dem Beginn ihrer Reform- und Öffnungspolitik hat sich die Volksrepublik von einem Agrarstaat über die Werkbank der Welt zur zweitgrößten Volkswirtschaft entwickelt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wenn Daten den wertvollsten Rohstoff darstellen und Information und Desinformation in sozialen Medien die öffentlichen Debatten dominieren, ist es nicht länger Chinas Ziel, bloß zum Westen aufzuschließen; es will vielmehr Märkte und Meinungen durch die Instrumente der digitalen Welt selbst gestalten. Das Zeitgeschehen in China betrifft deshalb nicht mehr nur chinesische Bürger und Unternehmen, die in China tätig sind, sondern hat auch eine globale Dimension. Aus diesem Grund beteiligt sich auch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht aktiv an den Diskussionen, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe CHINA TIME HAMBURG geführt werden.

Zur Begrüßung unterstrichen Prof. Dr. Uwe Blaurock, Universität Freiburg, und der China-Referent des Instituts, Prof. Dr. Knut Benjamin Pißler, die Geschwindigkeit der Digitalisierung in China und die weitverbreitete Offenheit, mit der diese von der Bevölkerung aufgenommen werde.

Marx oder Markt?

Jörg Wuttke, Generalbevollmächtigter der BASF China, rief in seinem Vortrag „China: Quo Vadis? Marx oder Markt?“ die Bedeutung Chinas in Erinnerung: Mit einer Fläche so groß wie ganz Europa und Provinzen, die nach ihrer Bevölkerungszahl und Wirtschaftsleistung Staaten gleichkommen, sei China eher als Kontinent denn als Land zu betrachten. Folgerichtig sei daher sein Wiederaufstieg in den Kreis der Großmächte, der für das Land und die Parteiführung unter Xi Jinping aber auch eine Kraftprobe darstelle. Welchen Herausforderungen (ausländische) Unternehmen in diesem Umfeld gegenüberstehen, konnte Wuttke dank seiner langjährigen Erfahrung vor Ort mithilfe anschaulicher Beispiele verdeutlichen. Er beschrieb, wie Unternehmen nicht selten Spielball der wechselnden politischen Gegebenheiten würden, der zunehmende Druck auf die Regierung gleichzeitig aber auch bisher nicht dagewesene Handlungsspielräume eröffne.

Rechtliche Aspekte der neuen Seidenstraßen-Initiative

Ein Prestige-Projekt der jetzigen Administration ist die neue Seidenstraßen-Initiative (One Belt One Road – OBOR), die 65 Staaten durch ein Netz von Land- und Seehandelswegen verbinden soll. Lutz-Christian Wolff, Professor an der Chinese University of Hong Kong, präsentierte seine Analyse der rechtlichen Aspekte dieses Projekts. Mangels überstaatlicher Regeln auf dem Gebiet des Völkerrechts, Investitionsrechts, IPR und Streitbeilegungsrechts, die speziell auf OBOR zugeschnitten sind, müsse meistens auf nationales Recht zurückgegriffen werden. Der Akzeptanz des Projekts in anderen Staaten stehe als größtes Hindernis entgegen, dass China weder seine Ziele noch den geographische Einzugsbereich klar kommuniziert. Perspektivisch hält Wolff aber den Export chinesischen Rechtsdenkens in OBOR-Staaten für möglich. Darauf sollten auch Akteure im Westen vorbereitet sein.

DSGVO schreckt chinesische Investoren ab

Über die weltwärts gerichteten Aktivitäten Chinas berichtete auch Jimmy Cliff, der für den chinesischen Bikesharing-Anbieter Mobike Technology den deutschen Markt erschließen will. Er verdeutlichte, dass auch das regulatorische Umfeld hierzulande für chinesische Investoren eine Herausforderung sein kann, wenn sie mit DSGVO und dem straßenrechtlichen Konzept der Sondernutzung konfrontiert werden. Dabei stieße ein Unternehmen weniger wegen seiner chinesischen Herkunft auf Misstrauen von Städten und Bezirken, sondern weil es sich wie viele junge Tech-Unternehmen die „Disruption“ bestehender Strukturen auf die Fahnen geschrieben habe.

Wie sicher sind Geschäftsdaten deutscher Investoren in China?

Auch in China reagiert die Regierung auf die fortschreitende Digitalisierung mit Regulierung über die Verwendung und Speicherung der millionenfach erhobenen Daten. Wie Philip Lazare, Rechtsanwalt bei Luther in Shanghai, unterstrich, geschehe dies dort aber weniger aus der Warte des Schutzes persönlicher Daten zugunsten der individuellen Privatsphäre, sondern aus Gründen der Netzwerksicherheit. Zwar würden hiermit grundsätzlich legitime Schutzzwecke verfolgt, aber für ausländische Unternehmen sei die Fülle an Anmeldungs- und Zertifizierungspflichten schwer durchschaubar und werfe auch die Frage nach der Sicherheit der eigenen Geschäftsdaten vor Zugriff durch die Behörden auf.

Das neue Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

Mike Goldammer, Rechtsanwalt bei Taylor Wessing in München, berichtete ebenfalls von Entwicklungen, die erhöhte Compliance-Anforderungen an ausländische Unternehmen stellten. Das 2018 revidierte chinesische Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthält im praxisrelevanten Bereich des Korruptionsverbots eine Neuregelung, die wegen ihres unbestimmten Wortlauts gleichermaßen bei Normadressaten wie vollziehenden Behörden erhebliche Kritik erfahren hat.

Ausblick

Beispiele wie diese verdeutlichen, dass die häufigen Rechtsunsicherheiten eine der größten Herausforderungen für die Rechtsunterworfenen in China und die Forschung zum chinesischen Recht darstellen. Sie schüren berechtigte Zweifel an der Entwicklung und dem Stellenwert von Recht und Rechtsstaatlichkeit. Ebenso machten die Referate und Diskussionen aber auch deutlich, dass das aufstrebende China im Zeitalter der Digitalisierung nichtsdestotrotz mehr und mehr globalen Einfluss ausüben wird. Umso wichtiger ist es, die Entwicklungen in China mit einem kritischen Blick zu begleiten und öffentlich zu diskutieren.

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