Türkisches Privatrecht – historische Verbindungen, aktuelle Rechtsfragen, wissenschaftliche Impulse

Türkisches Privatrecht – historische Verbindungen, aktuelle Rechtsfragen, wissenschaftliche Impulse

24. Januar 2022

Die politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Verbindungen zwischen der Türkei sowie ihrem Vorgängerstaat, dem Osmanischen Reich, und den Ländern Europas reichen weit in die Geschichte zurück. Heute ist die Türkei einer der größten Handelspartner der Europäischen Union. Das türkische Recht gehört zu den relevantesten ausländischen Rechtsordnungen, mit denen sich die juristische Praxis in Deutschland und der EU befasst. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht widmet der Rechtsentwicklung in der Türkei jetzt eine eigene Forschungsplattform.

Seit vielen Jahren pflegt das Institut einen intensiven Austausch mit türkischen Jurist*innen aus Wissenschaft und Praxis. So fand am Institut 1986 die konstituierende Sitzung der Deutsch-Türkischen Juristenvereinigung statt, mit der das Haus seither eine enge Zusammenarbeit verbindet. Von 2011 bis 2018 unterhielt das Institut ein Türkeireferat, das zu Fragen des türkischen Rechts Gutachten für deutsche Gerichte erstellte. 2021 wurde ein eigenes Kompetenzzentrum geschaffen.



„Das türkische Recht ist in seiner Stellung zwischen Europa und Asien sowie der MENA-Region, zwischen westlich-säkularem Vorbild und mehrheitlich islamischer Bevölkerung von hohem theoretischem Interesse für ein vermehrt pluralistisches globales Recht.“

– Institutsdirektor Ralf Michaels –

„Das neue Kompetenzzentrum, gegründet im selben Jahr, in dem sich der Abschluss des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei zum sechzigsten Mal jährte, soll praktische und theoretische Bedürfnisse erfüllen“, sagt Institutsdirektor Ralf Michaels. „Schon angesichts der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der in der EU ansässigen türkischen Staatsangehörigen in Deutschland lebt, bleibt die wissenschaftliche Begleitung der Entwicklungen gerade im Privat- und Wirtschaftsrecht der Türkei sowie der internationale Austausch darüber von zentraler praktischer Bedeutung. Außerdem ist das türkische Recht in seiner Stellung zwischen Europa und Asien sowie der MENA-Region, zwischen westlich-säkularem Vorbild und mehrheitlich islamischer Bevölkerung von hohem theoretischem Interesse für ein vermehrt pluralistisches globales Recht.“



„Auch wenn die Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen in den letzten Jahren nicht sehr groß waren, bleibt die Türkei ein Kandidat für den EU-Beitritt. Schon deshalb sind die Entwicklungen im türkischen Recht von einiger Bedeutung für Europa.“

– Biset Sena Güneş, Leiterin des Kompetenzzentrums Türkei –

Geleitet wird das Kompetenzzentrum von einer jungen Rechtswissenschaftlerin, die nach ihrem Studium in Istanbul und London an der Universität Regensburg mit einer rechtsvergleichenden Dissertation zum Thema internationales Erbrecht promoviert hat. Biset Sena Güneş ist seit 2020 wissenschafliche Referentin am Institut. Davor war sie als wissenschaftliche Assistentin an der Yildirim Beyazit Universität in Ankara tätig und hat sich zudem in der Türkei als Anwältin, Notarin und Mediatorin qualifiziert.

„Auch wenn die Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen in den letzten Jahren nicht sehr groß waren, bleibt die Türkei ein Kandidat für den EU-Beitritt. Schon deshalb sind die Entwicklungen im türkischen Recht von einiger Bedeutung für Europa. Das gilt natürlich auch umgekehrt: Das moderne türkische Recht hat viele Einflüsse aus dem europäischen Raum aufgenommen, insbesondere aus Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz“, sagt Güneş. Neben der Fortsetzung der Gutachtentätigkeit plant sie Projekte, Veranstaltungen und Publikationen, die den internationalen Rechtsdialog mit türkischen Jurist*innen aus Wissenschaft und Praxis vertiefen sollen.

Am 24. Januar 2022 startet das Kompetenzzentrum eine Seminarreihe in deutscher und englischer Sprache, in der aktuelle Fragen aus verschiedenen Bereichen des türkischen Rechts vorgestellt und diskutiert werden. Die zunächst als Online-Veranstaltungen geplanten einstündigen Seminare werden aus einem rund 30-minütigen Vortrag und einer anschließenden Frage- und Diskussionsrunde bestehen. Den Auftakt macht Başak Baysal, Professorin für Zivilrecht und Dekanin der Juristischen Fakultät der Kadir Has Universität Istanbul, mit dem Vortrag „The Role of the Judge under the Turkish Code of Obligations“.


Headerbild: © istock / tunart

Portraits Ralf Michaels und Biset Sena Güneş: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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