Der Aufstieg der Wirtschaftsmacht Asiens. Alles eine Frage der Unternehmenskontrolle?

Der Aufstieg der Wirtschaftsmacht Asiens. Alles eine Frage der Unternehmenskontrolle?

Bis vor gut zwanzig Jahren gab es in asiatischen Unternehmensleitungen kaum eine unabhängige Kontrolle der Geschäftsleitung. Das hat sich im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte grundlegend geändert. Parallel zum wirtschaftlichen Aufstieg und der Internationalisierung Asiens ist auch die Zahl der sogenannten unabhängigen Direktoren in den Unternehmensleitungen gewachsen. Harald Baum, der Leiter des Japan-Referats, hat dieses bisher international wenig beachtete Phänomen jetzt wissenschaftlich untersucht.

Eine unabhängige Kontrolle der Geschäftsleitung gilt seit langem in den USA und seit einiger Zeit auch in Europa als ein zentraler Baustein guter Corporate Governance, also im weitesten Sinne einer guten Unternehmensführung. Was zunächst als „good governance“ begann, ist vielerorts inzwischen zwingendes Recht. Für die USA, Großbritannien und auch Deutschland ist diese Entwicklung recht gut erforscht. Aber wie sieht es im asiatischen Raum aus? Der steigende Einfluss des asiatischen Wirtschaftsraums auf die Weltwirtschaft ist deutlich spürbar. 2020 werden voraussichtlich drei der vier stärksten Wirtschaftsmächte aus Asien kommen. Welche Rolle hat bei dieser Entwicklung eine unabhängige Kontrolle der Führung asiatischer Unternehmen gespielt? Harald Baum ist dieser Frage gemeinsam mit Luke Nottage von der University of Sydney, Dan W. Puchniak von der National University of Singapore sowie weiteren Gesellschaftsrechtlern und Experten aus den untersuchten Ländern nachgegangen.

US-amerikanisches Konzept nicht auf Asien übertragbar

Bislang ging die internationale Diskussion überwiegend davon aus, dass der Begriff der „Unabhängigkeit“ und auch die von unabhängigen Direktoren ausgeübten Funktionen in allen Jurisdiktionen weitgehend identisch seien. Diese Annahme basiert auf der verbreiteten Vorstellung, dass das amerikanische Konzept des „independent directors“ weltweit umgesetzt worden ist. „Diese Annahme lässt sich aber nicht ohne Weiteres auf unabhängige Direktoren in Asien übertragen“, erklärt Harald Baum. Vielmehr müsse die bisherige Sichtweise überdacht werden, da sich die Institution des „independent director“ in den führenden asiatischen Wirtschaftsmächten im Einzelnen pfadabhängig und damit höchst unterschiedlich entwickelt hätte. 

Rechtsvergleichende Untersuchung sieben asiatischer Kernländer

Gemeinsam mit Luke Nottage und Dan W. Puchniak verdeutlicht er in dem Buch „Independent Directors in Asia“, dass der bisherige Blickwinkel zu eng war und man jedes Land und seine individuelle Entwicklung für sich betrachten muss. Die Wissenschaftler zeigen in der rechtsvergleichenden Untersuchung der sieben asiatischen Kernländer Japan, Korea, China, Hongkong, Taiwan, Singapur, Indien sowie Australiens die Vielfalt in der Ausgestaltung der dortigen „unabhängigen Direktoren“ auf. Die Untersuchung wird durch historische und ökonomische Analysen und eine rechtsvergleichende Fallstudie abgerundet.

Auffällig ist, dass kaum eine asiatische Variante dem ursprünglichen amerikanischen Konzept entspricht. Diese neuen Erkenntnisse stellen grundlegende Annahmen der bisherigen internationalen Corporate Governance-Diskussion in Frage und schlagen neue Wege für künftige Corporate Governance-Untersuchungen vor.

Dan W. Puchniak, Harald Baum, Luke Nottage (Hrsg.), Independent Directors in Asia. A Historical, Contextual and Comparative Approach, Cambridge University Press, Cambridge 2017, 634 S.

Inhaltsübersicht:

Dan W. Puchniak, Harald Baum and Luke Nottage: Introduction

Part I: Theoretical Framework
Harald Baum: The Rise of the Independent Director in the West:  Understanding the Origins of Asia’s Legal Transplants
Wolf-Georg Ringe: Independent Directors: A Theoretical Framework
Dan W. Puchniak and Kon Sik Kim: Varieties of Independent Directors in Asia: A Taxonomy

Part II: Asian Jurisdiction-Specific Chapters
Gen Goto, Manabu Matsunaka and Souichirou Kozuka: Japan’s Gradual Reception of Independent Directors: An Empirical and Political-Economic Analysis 
Kyung-Hoon Chun: Korea’s Mandatory Independent Directors: Expected and Unexpected Roles
Xin Tang: Independent Directors in China: Facts and Reform Proposals
Hsin-Ti Chang, Yu-Hsin Lin and Ying-Hsin Tsai: From Double Board to Unitary Board System: Independent Directors and Corporate Governance Reform in Taiwan
Vivienne Bath: Independent Directors in Hong Kong
Dan W. Puchniak and Luh Luh Lan: Independent Directors in Singapore: A Corporate Governance Outlier?  
Vikramaditya Khanna and Umakanth Varottil: Board Independence in India: From Form to Function?  

Part III: Alternative Perspectives and Conclusions
Fady Aoun and Luke Nottage: The Rise and Unlikely Demise of Independent Directors in Australia
Bruce Aronson: Case Studies of Independent Directors in Asia
Souichirou Kozuka and Luke Nottage: Independent Directors in Asia: Theoretical Lessons and Practical Implications

Symposium 2014

Der vorliegende Band fasst die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Independent Directors in Japan and Other Major Asian Jurisdictions“ zusammen, das von Harald Baum gemeinsam mit Kollegen aus Japan, Australien und Singapur ins Leben gerufen wurde.

Im Rahmen des Projekts fand vom 17. bis zum 19. Juli 2014 im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin das gleichnamige Symposium statt. Veranstalter waren das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, das JDZB sowie die Deutsch-Japanische Juristenvereinigung.

Einen ausführlichen Bericht über das Symposium finden Sie im Tätigkeitsbericht 2014 des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht.

Im Jahr 2015 wurde ein Follow-up-Workshop unter dem Titel „Independent Directors in Asia“ an der National University of Singapore ausgerichtet, auf welchem die in Berlin aufgeworfenen Fragen noch einmal vertieft diskutiert wurden.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht