Zur Rolle des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts im Klimaschutz

Zur Rolle des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts im Klimaschutz

11. April 2022

Der Klimawandel ist nicht nur eine Herausforderung für die Politik. Deutsche und internationale Unternehmen sind zunehmend mit Fragen des Klimaschutzes befasst. So lassen etwa zivilrechtliche Schadensersatzklagen gegen Konzerne wie Shell, BMW, Mercedes und Volkswagen aufhorchen. Wie sieht es aber mit den Regelungsinstrumenten des Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrechts aus? Holger Fleischer, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, hat untersucht, inwieweit diese Spezialdisziplinen zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen können.

Die Vorstellungen darüber, wie Unternehmen sich den großen sozialen Themen der Gegenwart – von der Geschlechtergerechtigkeit bis zum Menschenrechtsschutz in globalen Lieferketten – stellen sollen, sind im Wandel begriffen. Vor diesem Hintergrund beleuchtet Fleischer in zwei kürzlich erschienenen Aufsätzen die Frage, über welche Steuerungsinstrumente und Wirkungskanäle das Gesellschaftsrecht unter Einschluss des Bilanz- und Kapitalmarktrechts in der Lage ist, den Folgen des Klimawandels effektiv zu begegnen.

„Die rechtspolitischen Realitäten haben die klassische Arbeitsteilung überholt, nach der Gesellschaftsrecht reines Organisationsrecht darstellt, während die Bekämpfung negativer Externalitäten dem öffentlichen Recht und Teilen des Privatrechts vorbehalten ist“, sagt der Rechtswissenschaftler und Ökonom. „Eine Rolle spielt hier die enorme wirtschaftliche Bedeutung von Großunternehmen, die mit der Globalisierung weiter gestiegen ist. Die Einkünfte multinationaler Unternehmen übertreffen inzwischen die vieler Staaten und ihr Verhalten wirkt tief in die Zivilgesellschaft hinein.“

Im Rahmen einer rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme gibt er einen Überblick der Situation in Europa und den USA. Für den Bereich des Corporate Reporting hält er fest, dass auf Unionsebene bereits mit der CSR-Richtlinie aus dem Jahr 2014 erste Schritte in Richtung einer Klimaberichterstattung gemacht wurden. Die Vorschläge zur Weiterentwicklung dieser Richtlinie sehen noch detailliertere Vorgaben sowie eine Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichte vor. Demgegenüber gibt es in den USA bisher noch keine verbindliche Nachhaltigkeitsberichterstattung.



„Wesentliche Impulse für eine klimabewusstere Unternehmensstrategie dürften in Zukunft von den Aktionären ausgehen.“

– Institutsdirektor Holger Fleischer –

Die meisten Stellschrauben, mit denen Klimaschutzzielen unternehmensintern zu stärkerer Durchsetzung verholfen werden kann, liegen im Bereich der Corporate Governance. Dabei spielen die sogenannten ESG-Kriterien eine wichtige Rolle. ESG steht für die Bereiche Umwelt (Environment), Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). So kann in Deutschland der Vorstand im Rahmen seines Leitungsermessens ESG-Ziele umsetzen, indem er Klimaschutzanstrengungen unternimmt, beispielsweise einen Klima-Übergangsplan ausarbeitet. Hinzu kommen organisatorische Maßnahmen, etwa die Bestellung eines Chief Sustainability Officers oder die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsausschusses im Aufsichtsrat.

ESG-Ziele werden nicht zuletzt von Shareholdern eingefordert, die in ihrem Privatleben Umweltbelange und soziale Anliegen berücksichtigen. „Wesentliche Impulse für eine klimabewusstere Unternehmensstrategie dürften in Zukunft von den Aktionären ausgehen“, konstatiert Fleischer. Dies beginne bei der Bestellung klimabewusster Aufsichtsratsmitglieder mit Unterstützung großer institutioneller Investoren. Vielfach gefordert werde außerdem die Einführung eines „Say on Climate“ über konkrete Klimapläne des Vorstands nach dem Vorbild des „Say on Pay“ über die Vorstandsvergütung. Denkbar sei auch die Verankerung einer Klimaschutzklausel in der Satzung einer Aktiengesellschaft oder einer neuen Gesellschaftsform mit dualer Zwecksetzung nach dem Vorbild der US-amerikanischen Benefit Corporation.

Fleischer beschließt seinen Streifzug durch die Materie mit einem gemischten Fazit: „Die hohe Sichtbarkeit von Großunternehmen verlockt den Gesetzgeber dazu, sie unter Berufung auf ihre Vorbildrolle im In- und Ausland in die Pflicht zu nehmen. Während ein Rückgriff auf das Gesellschaftsrecht zu Klimaschutzzwecken im Einzelfall sinnvoll sein kann, besteht bei manchen Reformmaßnahmen die Gefahr, dass sie kontraproduktiv wirken. Ihre Einzelevaluierung bleibt zukünftigen Analysen vorbehalten.“


Weiterführende Literatur

Holger Fleischer, Klimaschutz im Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, Der Betrieb 2022, 37–45.
Holger Fleischer, Green Boardrooms: Klimaschutz und Corporate Governance, Der Aufsichtsrat 19 (2022), 26–27.





Headerbild:
Landschaftsgrafik © shutterstock / Betelejze

Portrait Holger Fleischer: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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