Rechtsforschung durch Diskursvergleiche
Projektzeitraum: 2024-2026
Zum Selbstverständnis der Moderne gehört es, dass Rechtsvorstellungen veränderlich und begründungsbedürftig sind. Unsere Annahme ist, dass diese Begründungen durch Prozesse hervorgebracht werden, die sich als Diskurse begreifen und daher mit den Mitteln der sozialwissenschaftlichen Diskursanalyse erforschen lassen. Wir wollen die Entwicklungen rekonstruieren, mit denen sich bestimmte Begründungen in juristischen Diskursgemeinschaften durchsetzen oder umgekehrt zurückgewiesen werden. Insbesondere geht es uns um die Frage, auf welche Ereignisse, Akteure oder Prozesse es zurückzuführen ist, wenn sich Vorstellungen über Plausibilität oder Unsagbarkeit verschieben.
Dies werden wir exemplarisch anhand von drei thematisch eingrenzbaren Diskursfeldern vorführen: erstens zur Frage, ob Tiere Rechte haben sollten oder könnten („Tierrechte-Diskurs“), zweitens zu der Frage, ob Leihmutterschaft eröffnet oder warum sie nicht eröffnet werden sollte („Leihmutterschafts-Diskurs“) und drittens zur Frage, ob Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung oder umgekehrt Eltern ein Recht auf körperliche Züchtigung haben sollten („Züchtigungsrechts-Diskurs“). Die Untersuchung ist diachron angelegt, um Erkenntnisse im Zeitverlauf hervorzubringen. Außerdem ist die Untersuchung in mehrfacher Hinsicht vergleichend angelegt. Es sollen jeweils Diskursverläufe von mehreren Rechtsordnungen ausgewertet werden, um dann im Vergleich zwischen den Diskursfeldern Einsichten zu nationalen Diskurstraditionen oder übernationalen Diskursgemeinschaften zu gewinnen. Das Projekt versteht sich sowohl als Methodenprojekt, das Diskursanalyse und Diskursvergleich für die Rechtswissenschaft fruchtbar macht. Zugleich wird es Einsichten zu den weiteren nationalen Debatten auf drei rechtlich kontroversen Feldern (Tiere als Rechtspersonen, Mutterstellung, Elternrechte) hervorbringen.
Literatur

Anne Röthel, Körperliche Selbstbestimmung. Dogmen, Diskurse, Deutungen, Klostermann, Frankfurt 2024, 332 S.