Beruf Wissenschaftlerin

Private Law Gazette 1/2022 - Das vergleichende Familienrecht, in dem sie forscht, hat die Hintergründe und Grundannahmen von Geschlechterrollen, Familienkonzepten und Elternschaft und deren rechtliche Formen zum Gegenstand. Was hat Nadjma Yassari, die kürzlich von der Universität Hamburg zur Professorin ernannt wurde, zu ihrer Berufswahl geführt? Was waren die Highlights ihrer bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit? Welche Herausforderungen und Chancen für Frauen in der Forschung sieht die langjährige Gleichstellungsbeauftragte?

Die Wissenschaft gehörte ursprünglich nicht zu ihren Berufsplänen. „Nach dem Abschluss meines Studiums wollte ich eigentlich Patentanwältin werden“, sagt Yassari. „Meine Sprachkenntnisse eröffneten mir aber den Zugang zu anderen Rechtsordnungen, und das zu einem für meinen Weg in die internationale Forschung günstigen Zeitpunkt. Gerade als ich meine Promotion abgeschlossen hatte, wurde am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht eine Stelle als Referetin für das Islamische Recht ausgeschrieben. Ich ergriff die Chance und habe es nie bereut.“ Neben Deutsch und Englisch beherrscht sie Französisch und Farsi und erlernte später auch Arabisch. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das nationale und internationale Privatrecht islamischer Länder, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten sowie im Iran und in Afghanistan.

„Ein wichtiger Meilenstein war für mich 2009 die Gründung der Forschungsgruppe zum islamischen Familien- und Erbrecht am MPI. Damit erhielt ich die Gelegenheit, gemeinsam mit anderen Wissenschaftler*innen langfristig an den Themen, die mich interessierten, zu arbeiten.“ Als eines der Highlights ihrer Tätigkeit nennt sie die Gelegenheit, im Jahr 2015 zu Fragen der Adoption vor dem Europäischen Parlament zu sprechen und danach an einem Verfahren zur Adoption in Algerien beteiligt zu sein. Ein Moment großer Freude ist für sie auch das Erscheinen jeder hart erarbeiteten Publikation zu interdisziplinären Fragen der Grundlagenforschung.

Herausforderungen halte der Wissenschaftsberuf für alle jungen Forschenden reichlich bereit. In einem so streng organisierten und immer noch männlich dominierten Fach wie Jura würden unsichere Karrierewege und anspruchsvolle Qualifikationsziele, die in denselben Lebensabschnitt wie das biologische Zeitfenster zur Familiengründung fallen, Frauen aber besonders fordern. „Eine Chance besteht für Frauen gerade darin“, so Yassari, „durch diese Erfahrungen fokussierter und effektiver zu werden. Je mehr Frauen in der Wissenschaft bleiben, desto besser können sich auch Soft Skills wie Zeitmanagement, Kommunikationsfähigkeit und Führungskompetenz durchsetzen.“


Prof. Dr. Nadjma Yassari, LL.M. (London), Leiterin der Forschungsgruppe zum islamischen Recht am Institut, wurde am 30. November 2021 von der Universität Hamburg zur Professorin ernannt. Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, der Université René Descartes Paris V sowie an der Universität Innsbruck schloss Yassari ein Masterstudium an der School of Oriental and African Studies der University of London ab. 1999 promovierte sie an der Universität Innsbruck mit einer Arbeit zur Vertragsfreiheit in islamischen und westlichen Rechtskulturen. 2000 nahm sie ihre Tätigkeit am Institut als Referentin für das Recht islamischer Länder auf. Seit 2009 leitet sie die Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel: Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“. 2016 wurde sie mit einer rechtsvergleichenden Arbeit zum islamischen Familienvermögensrecht von der Universität Hamburg, wo sie islamisches Recht und Internationales Privatrecht lehrt, habilitiert
.



Foto: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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