Personengesellschaften im Rechtsvergleich
Internationale Landvermessung auf historischem Fundament
Private Law Gazette 1/2021 – Wer bis vor Kurzem auf dem Gebiet des Personengesellschaftsrechts den Blick schweifen ließ, musste feststellen, dass es kaum Wegweiser gab, die eine internationale Orientierung boten. „Es handelte sich hier um eine veritable Forschungslücke“, sagt Institutsdirektor Holger Fleischer, der es mit seiner wirtschaftsrechtlichen Arbeitsgruppe in einem mehrjährigen Projekt unternommen hat, ein umfassendes Panorama des vergleichenden Personengesellschaftsrechts zu zeichnen.
Hierzulande begegnen Personengesellschaften in den Formen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Kommanditgesellschaft (KG) und der offenen Handelsgesellschaft (OHG). Wie sieht es in anderen Ländern aus? Welche Parallelen und Kontraste gibt es? „Eine internationale Landkarte des Personengesellschaftsrechts muss noch gezeichnet werden“, sagt Holger Fleischer. „Besonders deutlich werden die Lücken in der rechtsvergleichenden Erschließung von OHG, KG und GbR, wenn man sie mit dem Literaturangebot zum komparativen Kapitalgesellschaftsrecht vergleicht.“ Ein wesentlicher Grund, so der Gesellschaftsrechtsexperte, liege darin, dass das Recht der Personengesellschaften innerhalb der EU bislang nicht harmonisiert worden sei und daher auch noch keine Ansatzpunkte für Angleichungsprojekte bestehen.
Geschlossene Teamleistung
Gegenstand des Forschungsprojekts war neben der länderübergreifenden Vermessung der Materie auch eine historische Bestandsaufnahme. Das Ergebnis ist ein 500-seitiges, in einen Generalbericht und elf Länderberichte gegliedertes Handbuch. Hinzu kommen etwa zwanzig Zeitschriftenaufsätze, die zahlreiche Institutionen und Figuren des Personengesellschaftsrechts aus rechtsvergleichender Sicht analysieren. „Diese Forschungsleistung zeigt unsere enormen Möglichkeiten: Alle Mitwirkenden sind aktuelle oder ehemalige Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter unserer wirtschaftsrechtlichen Arbeitsgruppe“, bilanziert Fleischer, der das Projekt initiiert und geleitet hat.
Historischer Längsschnitt
Während die Kapitalgesellschaften AG und GmbH Erfindungen des 19. Jahrhunderts sind, reichen die Wurzeln des Personengesellschaftsrechts weit zurück in die europäische Rechtsgeschichte. „Was wie eine homogenen Rechtsmasse wirken mag, sind drei eigenständige Evolutionslinien“, erklärt Fleischer. Die vor über 2000 Jahren im römischen Recht entstandene societas hat zahlreiche Entwicklungsstufen durchlaufen, bevor sie schließlich in den Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts als GbR eine feste Gestalt fand. Die Geschichte der KG nimmt im Seehandel der italienischen Stadtstaaten des Hochmittelalters als commenda ihren Ausgang. Die Ursprünge der OHG liegen zum Teil in der spätmittelalterlichen Toskana, wo sich eine als compagnia bezeichnete Rechtsform entwickelte. Ihr Name leitet sich ab von cum pane – was so viel wie „Brotgemeinschaft“ bedeutet, und auf den ihr zugrundeliegenden Familien- und Hausverband verweist.
Internationaler Querschnitt
Um 1900 erschien das in- und ausländische Personengesellschaftsrecht als facettenreiches Tableau von Organisationsformen, das unterschiedliche Traditionsstränge aufgenommen und verarbeitet hatte. Nach einer jahrhundertelangen Phase der Ausreifung bewegte sich die Entwicklung mehrere Jahrzehnte lang in ruhigeren Bahnen, bevor eine internationale Reformbewegung begann. In seinem das Handbuch einleitenden Generalbericht beleuchtet Fleischer nach einer rechtsgeschichtlichen Bestandsaufnahme die personengesellschaftsrechtlichen Reformgesetze und -entwürfe der letzten 50 Jahre in Europa und den Vereinigten Staaten. Darauf folgen detaillierte Länderberichte über die Rechtslage in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, den Niederlanden, Schweden, Russland, Großbritannien und den USA.
Ideenspender für die Gesetzesreform
Kurz nachdem das Institutsprojekt begonnen hatte, stellte der deutsche Gesetzgeber erste Weichen für eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts. Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom Januar 2021 nimmt auf insgesamt acht Aufsätze Bezug, die vom wirtschaftsrechtlichen Team um Fleischer verfasst wurden.
Neue Forschungsperspektiven
Die Resonanz auf das Institutsprojekt geht indessen weit über die deutsche Gesetzesreform hinaus: „Unsere Grundlagenforschung zeigt vielversprechende Entwicklungsperspektiven. Ein neues interdisziplinäres Forschungsfeld, in dem Gesellschaftsrecht, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte fruchtbar zusammenwirken, ist im Entstehen begriffen. Auf unserer wissenschaftlichen Werkbank stapeln sich bereits viele neue Themen.“