Schuldrechtsmodernisierung in Japan aus rechtsvergleichender Perspektive

Symposium

  • Beginn: 22.08.2019
  • Ende: 23.08.2019

Am 22. und 23. August 2019 hat das Institut in Zusammenarbeit mit der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kyōto und der Deutsch-Japanischen Juristenvereinigung ein rechtsvergleichendes Symposium zur Schuldrechtsmodernisierung in Japanin seinen Räumen ausgerichtet. Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung lag federführend in den Händen von Harald Baum. Das Symposium setzte die seit mehr als 10 Jahren bestehende fruchtbare wissenschaftliche Kooperation zwischen dem MPI und der Universität Kyōto fort und zielte insbesondere auf eine Förderung des Austausches zwischen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus beiden Ländern, die zahlreich vertreten waren.

Die grundlegende Reform des Schuldrechts in Japan ist am 1. April 2020 in Kraft treten. Sie umfasst auch verschiedene Institutionen des Allgemeinen Teils des japanischen Zivilgesetzes (Minpō) wie etwa das Verjährungsrecht. Es handelt sich um die erste große Novellierung der Materie seit Inkrafttreten des Zivilgesetzes vor 120 Jahren. Japan folgt damit mit einem gewissen Abstand der deutschen Schuldrechtsreform aus dem Jahr 2002 und der entsprechenden Teilnovellierung des Code civil in Frankreich im Jahr 2016. Sowohl das BGB als auch der Code civil hatten bekanntlich erheblichen Einfluss auf die Entstehung des japanischen Zivilgesetzes im ausgehenden 19. Jahrhundert. Bei der gegenwärtigen Reform haben rechtsvergleichende Materialien hingegen lediglich eine nachrangige Rolle gespielt. Im Kern ging es vielmehr um eine Reform aus eigener Kraft, welche auf die Integration und Kodifizierung der einschlägigen japanischen Rechtsprechung der vergangenen hundert Jahre zielt. Auf diesen Aspekt wies Keizo Yamamoto (Universität Kyōto) in seinem Eröffnungsvortrag zur Rolle der Rechtsvergleichung hin, der dessen ungeachtet die Notwendigkeit der Errichtung eines dem MPI entsprechenden rechtsvergleichenden Instituts in Japan betonte.

Ziel der Veranstaltung war es, zentrale Aspekte des novellierten Zivilgesetzes durch japanische Wissenschaftler vorzustellen und diese von deutschen und französischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen rechtsvergleichend kommentieren zu lassen. Dies war aufgrund der herausragenden Leistung möglich, dass eine Gruppe von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Universität Kyōto und des MPI unter der Leitung von Keizo Yamamoto, der maßgeblich an der Reform in Japan beteiligt war, bereits eine autoritative deutsche Übersetzung der novellierten Teile des ZG erarbeitet haben (Veröffentlichung der Übersetzung in ZJapanR / J.Japan.L. 45 (2018) 183–305).

Thematisch ging es zunächst um die Kontrolle von AGB in Japan und Deutschland, die Jürgen Basedow, emeritierter Direktor des MPI, für die japanische Neuregelung kritisch untersuchte. Kommentierend wies Yamamoto darauf hin, dass das japanische Verbrauchervertragsgesetzbereits im Jahr 2000 eine weitreichende Inhaltskontrolle für AGB bei Verbrauchergeschäften eingeführt habe.Trotz intensiver Diskussion sei das Verbraucherecht schließlich entgegen ursprünglichen Plänen doch nicht in das novellierte Zivilgesetz integriert worden.

Einem Schwerpunkt der Modernisierung, dem Kaufrecht, war der Vortrag von Hiroshi Tanaka (Universität Kōbe) gewidmet. Besonderes Augenmerk legte der Referent auf die umfassenden Änderungen der Gewährleistungsregelungen. In seinem rechtsvergleichenden Kommentar untersuchte Jan Lüttringhaus (Leibniz Universität Hannover) den Begriff der Vertragswidrigkeit näher, der in Japan weiter gefasst sei als in Deutschland. Atsuko Kimura (Universität Kyōto) referierte sodann über die Änderungen im japanischen Irrtumsrecht, insbesondere bezüglich des Motivirrturms. Béatrice Jaluzot (Institut d’Asie Orientale, ENS de Lyon) verwies in ihrem vergleichenden Kommentar auf die fundamentalen Unterschiede zwischen dem japanischen und dem französischen Irrtumsrecht.

Ein weiterer Schwerpunkt der Reform ist das Verjährungsrecht. Diesem widmete sich Fumihiro Nagano (Universität Kyōto), der die Abschaffung der Sonderverjährungsfristen, die Novellierung von Neubeginn und Ablaufhemmung der Verjährung sowie die Umgestaltung der Verjährung deliktischer Schadensersatzansprüche vorstellte. Der Unterschied zwischen dem Neubeginn und der Ablaufhemmung in Japan auf der einen und dem deutschen Institut der Hemmung wurde von dem Korreferenten Oliver Remien (Julius-Maximilians-Universität Würzburg) aufgegriffen. Im letzten Themenblock des Symposiums behandelte Katsuyuki Wada (Universität Kyōto) die Änderungen bezüglich der Wirkungen und Publizitätserfordernisse im Bereich der Forderungsabtretung. Mareike Schmidt (Universität Hamburg) verwies auf Divergenzen zum deutschen Recht, namentlich die hierzulande fehlende Registerpublizität.

Eine Veröffentlichung der japanischen Beiträge ist zusammen mit weiteren Erläuterungen zur Reform für 2020 in Buchform geplant. Dabei sollen auch der novellierte japanische Gesetzestext und dessen erwähnte deutsche Übersetzung wiedergeben werden.

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