Erbrecht

Erbrecht

Seit 2019 liegt der Fokus der Grundlagenforschung auf dem islamischen Erbrecht.

Die Wissenschaftler*innen der Forschungsgruppe sind insbesondere an Fragen an der Schnittstelle zwischen Familienkonstellationen, Vermögen und dem Erbrecht interessiert. Diese Fragestellungen haben sich organisch aus den bisherigen Forschungen der Gruppe herauskristallisiert. Familie, Ehe und Elternschaft haben in den letzten Jahrzehnten große soziale Änderungen erfahren, die sich in Gesetzgebung und Rechtsprechung niedergeschlagen haben. Diese Rechtsreformen haben die Grundfesten eines traditionellen Familienbegriffes berührt und die Potentialitäten, „Familie“ anders zu denken, verstärkt. Das hat auch Auswirkungen auf das Erbrecht. Dieses – als letzte Bastion der vermeintlichen Unwandelbarkeit göttlichen Rechts titulierte – Rechtsgebiet soll daher wissenschaftlich erforscht und seine Strukturen, seine Dynamiken und seine Funktion erarbeitet werden.

Im Oktober 2021 fand die erste Tagung der Forschungsgruppe zum islamischen Erbrecht statt. Im Mittelpunkt der gemeinsam mit der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht (GAIR) am Max-Planck-Institut durchgeführten Tagung standen die Mechanismen erbrechtlicher Reformen und die soziale Praxis des islamischen Erbrechts.

Im März 2023 sollen diese Themen in einem international besetzten Kreis von Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen im Rahmen einer Fachtagung in Hamburg vertieft werden. Die Konferenz wird sich insbesondere mit der Rolle befassen, die das Erbrecht in islamischen Gemeinschaften in der Vergangenheit gespielt hat, wie es sich heute darstellt und welche Bedeutung es für künftige Generationen hat.

Dabei sollen die vielfältigen Formen der Übertragung von Eigentum zwischen den Generationen einbezogen werden, auch Phänomene, die üblicherweise nicht mit dem Erbrecht in Verbindung gebracht werden, wie religiöse (Familien-)Stiftungen oder Übertragung von Eigentum unter Lebenden auf den Todesfall. Die im Rahmen eines Call for Papers ausgewählten Beiträge sind weit gefächert und befassen sich mit der generationsübergreifenden Übertragung von Eigentum in verschiedenen historischen und regionalen Kontexten. Dabei werden methodische Ansätze und theoretische Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen (Recht, Geschichte, Wirtschaft, Anthropologie, Nahost-/Regionalstudien, Gender Studies und Soziologie) zusammengeführt. Schließlich werden auch die Einflüsse des Kolonialismus auf die Praxis des Erbrechts analysiert.

Neben der rechtlichen Ebene steht somit auch immer die soziale und ökonomische Funktion des Erbrechts in den islamischen Ländern im Fokus. Entscheidend ist also nicht so sehr, welche Erbteile einer bestimmten Person zukommen, sondern warum, in welcher Form und in welchen Kontexten Vermögen von einer auf die andere Generation übergeht.






Headerbild
: Erbrechtstabelle nach hanafitischem Recht.
© Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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