
Minority Law in Arab States: Governing Religious Diversity
Internationale Konferenz
- Beginn: 14.07.2025
- Ende: 15.07.2025
- Ort: Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Vom 14.-15. Juli 2025 veranstaltete das Institut eine internationale Konferenz zum Minderheitenrecht in arabischen Staaten, organisiert vom Kompetenzzentrum für das Recht arabischer und islamischer Länder unter der Leitung von Dr. Dörthe Engelcke und der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA).
Die Konferenz eröffnete neue Perspektiven, indem sie die Aufmerksamkeit auf das oft übersehene Familien- und Erbrecht nichtmuslimischer Gemeinschaften in arabischen Ländern lenkte. Sie untersuchte das komplexe Verhältnis zwischen rechtlicher Autonomie und staatlicher Regulierung religiöser Vielfalt und brachte Wissenschaftler*innen aus verschiedensten Bereichen der Sozial-, Geistes- und Rechtswissenschaften sowie Rechtspraktiker*innen zusammen. Die Panels befassten sich mit zentralen Themen wie Rechtspluralismus, Beziehungen zwischen Minderheiten und Staat, Geschlechterfragen und interreligiösen Dynamiken und beleuchteten die Auswirkungen kolonialer Interventionen, regionaler Konflikte sowie Reformbewegungen auf die Entwicklung des Minderheitenrechts.
Das erste Panel „Jewish and Christian Litigants in Muslim Courts: Legal Agency, Adaptation, and Colonial Intervention“, moderiert von Dr. Lena-Maria Möller (Qatar University) mit Prof. Nadjma Yassari (Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung) als Diskutantin, zeigte, wie jüdische und christliche Gemeinschaften das Rechtsleben unter islamischer Herrschaft aktiv und strategisch mitgestalteten und keinesfalls nur passive Empfänger islamischer Rechtsnormen waren. Christliche Führungspersonen, wie Prof. Lev Weitz (Catholic University of America) zeigte, entwickelten neue Rechtstexte, um die Autorität der Gemeinschaft zu stärken. Prof. Wafya Hamouda (Tanta University, Ägypten) hob hervor, wie jüdische und christliche Frauen islamische Gerichte nutzten, um familiäre und finanzielle Ansprüche – oft erfolgreich – geltend zu machen. Dr. Ari Schriber (Utrecht University) dokumentierte, wie jüdische Kaufleute juristische Umgehungsstrategien für islamische Zinsverbote entwickelten.
Der erste Konferenztag endete mit einer Keynote von Prof. Maya Mikdashi (Rutgers University, USA), in der sie das Konzept des „Sextarianism“ vorstellte – einer kraftvollen analytischen Linse, um die Verflechtungen von Recht, Sexualität, Geschlecht und staatlicher Macht im Libanon zu verstehen.
Im zweiten Panel „Law-Making and Adjudicating Christian Family Law: Judges’ and Practitioners’ Perspectives from Jordan and Palestine“, moderiert von Dr. Dörthe Engelcke, diskutierten Richter*innen kirchlicher Gerichte über die Anwendung christlicher Personalstatutsgesetze in Jordanien und Palästina, die Funktionsweise von Kirchengerichten und die Schwierigkeiten rechtlicher Reformen. Salameh Bishara (Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL)) gab einen Überblick über den Reformprozess des Personalstatutsgesetzes der Evangelisch-Lutherischen Gemeinschaft in Jordanien und im Heiligen Land von 2015, während Judge Scarlet Bishara (Gericht erster Instanz, ELCJHL) dessen Bedeutung für die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit hervorhob. Judge Christine Faddoul (Griechisch-Orthodoxes Berufungsgericht, Amman) diskutierte das im Oktober 2023 vom Griechisch-Orthodoxen Patriarchat von Jerusalem erlassene neue Familiengesetz und dessen Verabschiedungsprozess. Judge Bassam Shahatit (Gericht erster Instanz der Griechisch-Melkitischen Kirche, Jordanien) erläuterte die Bedeutung und Beweggründe hinter dem neuen Entwurf eines Erbgesetzes für alle christlichen Gemeinschaften in Jordanien. Alle Panelist*innen reflektierten auch die Rolle von Frauen in der Justiz sowie die Auswirkungen regionaler Konflikte auf das Funktionieren der Kirchengerichte.
Das dritte Panel „The Intersection of Law, Religion, and Gender: Inheritance and Legal Pluralism in Egypt“, moderiert von Dr. Dörthe Engelcke, befasste sich mit der umstrittenen Frage erbrechtlicher Normen für christliche Gemeinschaften in Ägypten und ob diese gesetzlich verpflichtet sind, islamisches Recht anzuwenden, oder rechtliche Autonomie genießen. Die Anwältin und Aktivistin Hoda Nasrallah (Egyptian Initiative for Personal Rights) sprach über ihre rechtliche und politische Arbeit für christliche Autonomie im Erbrecht und berichtete aus eigener Erfahrung über ihre erfolgreiche Berufung gegen ein Urteil, das islamisches Erbrecht bei der Aufteilung des Nachlasses ihres verstorbenen Vaters angewandt hatte. Prof. Gianluca Parolin (Aga Khan University, UK) analysierte ein aktuelles Urteil sowie die Argumentation des Kassationshofes über die Anwendung erbrechtlicher Bestimmungen auf Muslime und Nichtmuslime gleichermaßen, deren Auswirkungen auf den Rechtspluralismus sowie die allgemeine Entwicklung der Minderheitenrechte im ägyptischen Recht. Dr. Nora El Bialy (Universität Hamburg) und Ahmed Fouad (British University in Egypt) identifizierten durch eine Analyse von Urteilen des Kassationshofes von 1952 bis 2024 entscheidende Faktoren, die die Einführung geschlechtergerechterer erbrechtlicher Regeln verhindern, nämlich kulturelle Faktoren und patriarchale Vorurteile – und nicht Recht oder Religion.
Das vierte Panel „Minority Law and Contested Authority: The Interplay of Conflict, Sectarianism, and Identity Formation in Iraq“, moderiert von Dr. Hanna Pfeifer (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg) mit Prof. Mujtaba Isani (Quaid-e-Azam University, Pakistan) als Diskutant, widmete sich der zunehmenden Fragmentierung des Personalstatutsrechts im Irak durch konfessionelle Zugehörigkeit. Prof. Harith Al-Dabbagh (University of Montreal) analysierte die Folgen dieser rechtlichen Fragmentierung und zeigte die Herausforderungen des verstärkten Pluralismus für die Lösung interner Rechtskonflikte und die Förderung rechtlicher Gleichstellung auf. Shéhérazade Elyazidi (Affiliate MPI Hamburg) konzentrierte sich auf das kurdische Personalstatutsgesetz von 2008 als Meilenstein in der Geschichte Irakisch-Kurdistans, das Familienstrukturen, Geschlechterrollen und kommunale Identität neu definierte, und beleuchtete Dynamiken von Geschlechterreform, Identitätspolitik und Föderalismus. Prof. Ayad Yasin Husein Kokha (Salahaddin University Erbil) und Faraz Firouzi Mandomi (Universität Hamburg) untersuchten jesidisches Familienrecht im Irak und der Autonomen Region Kurdistan und insbesondere das Zusammenspiel von Rechtspluralismus, Minderheitenrechten und gerichtlicher Praxis.
Bildnachweise: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Anja Hell-Mynarik














