Veränderungen der Corporate Governance

Veränderungen der Corporate Governance

Im Zuge der globalisierungsbedingten Öffnung des japanischen Marktes und der rezessionsbedingt niedrigen Kurswerte ist seit dem Ende der neunziger Jahre in großem Umfang ausländisches Beteiligungskapital nach Japan geflossen. Der Anteil nicht-japanischer Aktionäre an börsennotierten japanischen Unternehmen lag bis Mitte der neunziger Jahre stets unter 5 % und damit weit unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Er hat sich innerhalb weniger Jahre auf überdurchschnittliche 25 % erhöht. Parallel dazu ist die Zahl der ebenso wie für Deutschland („Deutschland AG“) auch für Japan („Japan Inc.“) lange Zeit typischen Überkreuzverflechtungen erheblich zurückgegangen. Entsprechend ist die Zahl der sog. stabilen Aktionäre gesunken, die das Management börsennotierter Gesellschaften vor nicht abgestimmten Übernahmen schützten. Seit dem Jahr 2003 hat Japan denn auch die ersten (ernsthaften) feindlichen Übernahmeversuche erlebt. Auch der bislang unterentwickelte Markt für Unternehmenskontrolle beginnt an Kontur zu gewinnen. Bei der Unternehmensfinanzierung hat sich die Gewichtung von der indirekten Finanzierung über die sog. Hauptbanken hin zu einer direkten Kapitalaufnahme über den Kapitalmarkt verschoben. All dies hat, ähnlich wie in Deutschland, erhebliche Auswirkungen auf die Corporate Governance, auf die auch in Japan traditionell korporatistisch geprägte Unternehmensführung und -überwachung.

Die Praxis einer ausschließlichen Besetzung des Verwaltungsrates und anderer Gremien mit Unternehmensinsidern anstelle von unabhängigen Kontrolleuren beginnt sich zu lockern. Das herkömmliche Unternehmensverständnis war auf das Unternehmen als solches und die Interessen der dort Tätigen – kurz den sog. Stakeholder Value – ausgerichtet. Im Kontrast dazu ist die Entwicklung des Aktienkurses, die bei japanischen Managern jahrzehntelang in der Wichtigkeitsskala unternehmerischer Ziele auf den hintersten Rängen lag, inzwischen auf den ersten Platz gerückt. Dies hat zu einer gewissen Fokussierung auf die Interessen der Aktionäre geführt. Shareholder Value anstelle von Stakeholder Value wird zurzeit in Japan propagiert.

Der japanische Gesetzgeber hat seit 2001 in mehreren Schritten das Gesellschaftsrecht umfassend novelliert und es dabei stark dereguliert und in hohem Maße flexibilisiert. Dies sollte die Überwindung der Wirtschaftskrise erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen steigern. Für die Aktiengesellschaft, die dominierende Rechtsform in Japan, steht heute eine Fülle unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der Organisationsstruktur und der Corporate Governance zur Verfügung. Die GmbH wurde als nicht hinreichend zukunftstaugliche Gesellschaftsform 2005 abgeschafft. Für die einschlägige deutsche Reformdiskussion sind diese Entwicklungen von großem Interesse. Angesichts der ersten feindlichen Unternehmensübernahmeversuche und der wachsenden Angst vor ausländischen Übernahmen sind die von den Gerichten des US-amerikanischen Bundesstaates Delaware entwickelten Grundsätzen im Jahr 2005 als „legal transplant“ in Form einer ministeriellen Empfehlung übernommen worden. Seither werden auch in Japan Verteidigungsmaßnahmen in Form sog. poison pills als zulässig erachtet. Bereits mehrere hundert börsennotierte Unternehmen haben derartige Abwehrmaßnahmen installiert.

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