Der Wandel des Regulierungsmodells

Der Wandel des Regulierungsmodells

Als Folge einer gezielten Verknappung der Ressource „Rechtsgewährung“ waren für die japanische Rechtswirklichkeit bislang eine sehr geringe Prozessdichte und ein für eine moderne Industrienation ungewöhnlich kleiner juristischer Berufsstand charakteristisch. Hiermit korrelierte eine spezifische Art bürokratiegesteuerter Regulierung und Überwachung des Wirtschaftsgeschehens. Die anhaltende strukturelle Wirtschaftskrise in den neunziger Jahren hat indes deutlich gemacht, dass dieses lange Zeit erfolgreiche Wirtschafts- und Regulierungsmodell an seine Grenzen gestoßen ist. Der ausgeprägte bürokratische Paternalismus, der in Japan lange Zeit dominierte, hat sich der Dynamik offener Märkte im Ergebnis als nicht gewachsen gezeigt. Als deutlich geworden war, dass nur ein regulatorischer und administrativer Paradigmenwechsel Abhilfe schaffen konnte, wurde eine Vielzahl von Reformen in einer spannenden Mischung von De- und Re-Regulierung in fast allen Rechtsbereichen eingeleitet. Erklärtes Ziel war und ist, ein transparentes marktorientiertes Regulierungsregime zu schaffen, unter dem die Marktkräfte Priorität vor administrativer Steuerung genießen und das im internationalen Regulierungswettbewerb bestehen kann.

Herzstück der Reformen ist ein grundlegender Systemwandel von einer konsens-orientierten, intransparenten und ermessensgesteuerten Lenkung des Wirtschafts-geschehens durch die Bürokratie hin zu einer regelgestützten Regulierung, unter der klare Verhaltensregeln für Marktteilnehmer existieren, deren Einhaltung im Nachhinein kontrolliert und deren Verletzung im Nachhinein sanktioniert wird. Dies bedeutet einen paradigmatischen Wechsel von einer ex ante-Kontrolle qua lizenzabhängigem Marktzutritt zu einer ex post-Kontrolle des Marktverhaltens durch die Gerichte. Im Kern haben die bereits umgesetzten Reformen die bisherige Regulierungsarchitektur auf den Kopf gestellt, auch wenn der Reformprozeß noch nicht abgeschlossen ist. Zugleich ist ein generelles Bemühen zu beobachten, das Handeln der öffentlichen Verwaltung in Japan stärker an gesetzliche Vorgaben zu binden und das Verwaltungsverfahren entsprechend rechtsförmiger, d.h. transparenter und weniger arbiträr auszugestalten.

Der Wandel macht einen raschen Ausbau der Judikative unabdingbar, denn eine gerichtliche ex post-Kontrolle setzt ein effizientes Justizwesen voraus. Im japanischen Kontext bedeutet dies vor allem eine drastische Erhöhung der Zahl der Rechtsanwälte und Richter. Folgerichtig hat Japan vor kurzem eine grundlegende Reform der juristischen Ausbildung durchgeführt. Ziel war, die Zahl qualifizierter und praxisnah ausgebildeter Juristen drastisch zu erhöhen.

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