Juristische Kommentare im internationalen Vergleich

7. Januar 2021

In der deutschen juristischen Literatur ist der Gesetzeskommentar eine zentrale Publikationsform. Geprägt von einer eng mit der Praxis verzahnten Wissenschaft gilt er als typisch deutsches Phänomen. Bislang fehlte es an vergleichender Forschung über die Bedeutung von Kommentaren in anderen Privatrechtsordnungen. Diese Lücke schließt ein neuer Sammelband, der ein differenziertes Bild diverser Kommentarformen im Kontext der jeweiligen Rechtskultur und Rechtsgeschichte zeichnet.

Der von Institutsdirektor Reinhard Zimmermann gemeinsam mit David Kästle-Lamparter und Nils Jansen herausgegebene Band „Juristische Kommentare: Ein internationaler Vergleich“ versteht sich auch als Baustein zur Erforschung unterschiedlicher Rechtskulturen in Europa und weltweit. 13 Länderberichte, unter anderem zu Frankreich, Italien, Spanien, den USA, Lateinamerika, Japan, Russland und Israel sowie Beiträge zum Recht der EU und zum transnationalen Privatrecht legen den Blick auf eine vielgestaltige internationale Kommentarlandschaft frei. Als gemeinsame Grundlage dient dabei ein Arbeitsbegriff, der sich nicht auf den modernen deutschen Gesetzeskommentar beschränkt. Berücksichtigung finden auch ihm verwandte Formate der Rechtsliteratur. Die Analyse zeigt, dass es sich um kein rein deutsches Phänomen handelt.

In seinem Beitrag „Privatrechtliche Kommentare im internationalen Vergleich. Verbreitung, Varianz, Verwandtschaft“ untersucht Reinhard Zimmermann die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Kommentarkultur der nationalen Privatrechtsordnungen und des transnationalen Privatrechts. Er weist darauf hin, welche Rolle dem Kommentar vor dem Hintergrund einer zunehmenden Europäisierung und Globalisierung des Rechts als Brückenbauer zwischen verschiedenen Rechtskulturen in Zukunft zukommen kann.

Zu den Autor*innen gehört auch Institutsdirektor Ralf Michaels, der in seinem Beitrag der Frage nachgeht, ob die transnationalen Ursprüngen entstammende Kommentarkultur mit der aktuellen Transnationalisierung des Privatrechts zu ihren mittelalterlichen Wurzeln zurückkehren könne. Er verneint dies mit der Begründung, dass Referenztexte des pränationalen Zeitalters zumeist universale Akzeptanz hatten. Im Unterschied dazu komme den Kommentaren zu den nicht bindenden transnationalen Referenztexten der Gegenwart die Hauptfunktion zu, in einer als unübersichtlich empfundenen globalen Rechtsrealität Ordnung herzustellen oder zumindest vorzutäuschen.

David Kästle-Lamparter, Nils Jansen, Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Juristische Kommentare: Ein internationaler Vergleich (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht, 133), Mohr Siebeck, Tübingen 2020, XII + 520 S.

Open Access

Die Beiträge von Reinhard Zimmermann und Ralf Michaels sind in der Reihe „Max Planck Private Law Research Paper Series“ Open Access auf SSRN verfügbar:

Reinhard Zimmermann: Privatrechtliche Kommentare im internationalen Vergleich: Verbreitung, Varianz, Verwandtschaft
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3720155 

Ralf Michaels: Kommentare zum transnationalen Privatrecht. Grenzen der Entnationalisierung eines nationalen Modells 
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3723826

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