Neue Vielfalt in Ehe und Familie

Zuwanderung und die Pluralisierung von Lebensformen in Deutschland

29. Mai 2019

Die Diskussion über die Grundlagen von Ehe und Familie in Deutschland hat durch die jüngste Zuwanderung neue Impulse erhalten. Neben gesellschaftlichen, kulturellen und ethischen Normen wird auch das geltende Recht erneut hinterfragt. Während die gleichgeschlechtliche Ehe heute nicht mehr zur Diskussion steht, wird aktuell etwa um die Anerkennung im Ausland geschlossener Kinderehen gerungen. Wie hängen verschiedene Debatten um die sich wandelnden Begriffe von Ehe und Familie zusammen? In welche Richtung weisen die aktuellen Entwicklungen? Welche Antworten gibt  die Gesetzgebung auf die neue Vielfalt?

In Kooperation mit der Georg-August-Universität Göttingen veranstaltet das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht am 6. Juni 2019 von 14 bis 17 Uhr eine Podiumsdiskussion, die sich unter anderem diesen Fragen widmet.

Zum Thema „Kulturelle Diversität und Familie in Deutschland: Ehe, Familienformen und Recht“ diskutieren:

Dr. Patricia Arndt
Vorstand Öffentlichkeitsarbeit, Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V.

Dr. Ulrike Schaper
Juniorprofessorin für Kolonialgeschichte, Geschlechtergeschichte und Tourismus, Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Norbert F. Schneider
Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung

Dr. Yafa Shanneik
Islamwissenschaftlerin, University of Birmingham

unter der Leitung von:

Priv.-Doz. Dr. Nadjma Yassari, LL.M. (London)
Leiterin der Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht

Gesellschaftliche Vorstellungen über die Bedeutung von Ehe und Familie sind im steten Wandel und werden vor dem Hintergrund neuer Lebensformen kontinuierlich neu justiert: Immer mehr Paare entscheiden sich für ein Zusammenleben ohne Trauschein, die monogame Lebensweise wird in Frage gestellt und Bekenntnisse zu polyamorösen Beziehungen rücken verstärkt in die Öffentlichkeit. 2017 wurde die gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland legalisiert. Viele Kinder wachsen mit nur einem Elternteil oder in Patchworkfamilien auf.

Die Pluralisierung der Lebensformen weckt aber auch Ängste und das Bedürfnis nach Abgrenzung. Besonders gilt dies für ausländische oder religiös motivierte Lebensformen und Familienwerte, die in Deutschland rechtliche Anerkennung suchen. Jüngstes Beispiel ist das im Juli 2017 erlassene Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Darin wird im Ausland wirksam geschlossenen Ehen zwischen Personen, die das 16. Lebensjahr nicht erreicht haben, pauschal die Anerkennung verwehrt. Der BGH hat das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen im Dezember 2018 als potentiell verfassungswidrig erachtet und dem Verfassungsgerichtshof zur Beurteilung vorgelegt.

Ein weiteres Beispiel ist ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Mehrehe, mit dem sich der Bundesrat auf Antrag des bayerischen Freistaates im Juni 2018 beschäftigt hat. Er sieht unter anderem vor, im Ausland nach ausländischem Recht wirksam geschlossene Ehen bereits verheirateter Personen nach deutschem Recht aufzuheben, wenn beide Partner in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Diese Gesetze, die als Abwehr von Ehen insbesondere aus dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika gewertet wurden, bleiben aus rechtsstaatlicher und international-privatrechtlicher Perspektive problematisch.

Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht wurde 1926 unter Beteiligung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin gegründet, 1949 in die Max-Planck-Gesellschaft integriert und ist seit 1956 in Hamburg ansässig. Das Institut widmet sich der Grundlagenforschung und dem Wissenstransfer im vergleichenden und internationalen Privat- und Wirtschaftsrecht. Dazu gehört die wissenschaftliche Konzeption einer künftigen europäischen Privatrechtsordnung ebenso wie die vergleichende Forschungsarbeit zu den Rechtsordnungen der USA, Lateinamerikas, Russlands, Chinas, Japans und der islamischen Welt.

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