Privatautonomie und Eigenverantwortung als Rechtsgrundsätze im deutsch-japanischen Rechtsvergleich

28. März 2019

Ein neues Sonderheft der „Zeitschrift für Japanisches Recht“, das Prof. Dr. Harald Baum, Leiter des Kompetenzzentrums Japan am Max-Planck-Institut für Privatrecht, zusammen mit Keizo Yamamoto und Yuko Nishitani herausgegeben hat, stellt das Spannungsfeld zwischen Vertragsfreiheit und individueller Verantwortlichkeit rechtsvergleichend in den Mittelpunkt.

Deutschland wie Japan sind, bei aller Unterschiedlichkeit im Einzelnen, durch eine auf Wettbewerb beruhende freiheitliche Wirtschaftsverfassung und eine durch politische Teilhabe getragene freiheitliche Gesellschaftsordnung geprägt. Beides sind Kennzeichen einer offenen Privatrechtsgesellschaft. In deren Mittelpunkt stehen als Leitprinzipien einerseits die Privatautonomie als Ausdruck der Handlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger sowie andererseits, damit verbunden, die Eigenverantwortung für ihre Handlungen. Wichtigster Ausfluss der Privatautonomie ist auf der Ebene des materiellen Rechts die Vertragsfreiheit. Eigenverantwortung bedeutet diesbezüglich, dass die Handelnden an einen von ihnen geschlossenen Vertrag gebunden sind.

Eigenverantwortung und Vertragsfreiheit bestehen jedoch nicht grenzenlos. Dort, wo die einzelne Person nicht eigenverantwortlich zu handeln und sich zu schützen vermag, endet die individuelle Verantwortlichkeit. Sowohl in Deutschland als auch in Japan werden die Grenzen der Vertragsfreiheit seit längerem durch diverse Einschränkungen kontinuierlich ausgebaut – etwa zum Schutz vor strukturellen Ungleichgewichtslagen oder vor Diskriminierungen wie auch zur Umsetzung gesellschaftspolitischer Umverteilungsstrategien. Diese Regelungen zielen darauf ab, bestimmte Gruppen von Vertragsparteien von der Eigenverantwortung für ihr Handeln zu entlasten und stattdessen der jeweiligen Gegenseite eine dem Privatrecht fremde und die Vertragsfreiheit einschränkende Mitverantwortung aufzuerlegen. In der neuen Ausgabe der Schriftenreihe „Sonderhefte der Zeitschrift für Japanisches Recht“ wird dieses Spannungsverhältnis anhand ausgewählter Sachgebiete für Deutschland und Japan umfassend diskutiert. Der Band trägt die Ergebnisse eines Workshops an der Universität Kyōto im Jahr 2018 zusammen, der das gemeinsam mit dem Institut durchgeführte Forschungsprojekt „Privatautonomie und Eigenverantwortung als Rechtsgrundsätze im deutsch-japanischen Rechtsvergleich“ abschloss.

Die von Harald Baum 1996 gegründete Zeitschrift ZJapanR ist derzeit die weltweit einzige Publikation, die regelmäßig, zeitnah und nach einem konsistenten Konzept die vielfältigen Entwicklungslinien des japanischen Rechts in westlichen Sprachen dokumentiert, analysiert und in einem methodisch wie formal breit gefächerten Ansatz publizistisch zugänglich macht.

Keizo Yamamoto, Yuko Nishitani, Harald Baum (Hg.), Gegenwärtiger Stand und Aufgabe der Privatautonomie in Japan und Deutschland, Carl Heymanns Verlag, Köln 2019, 174 S.

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