Nachruf auf Direktor emeritus Jürgen Basedow

(* 29.9.1949  † 6.4.2023)

12. Mai 2023

Jürgen Basedow wurde am 29. September 1949 in eine hamburgische Kaufmannsfamilie geboren. Das Interesse am transnationalen Handels- und Wirtschaftsrecht war ihm damit gleichsam in die Wiege gelegt. In Hamburg begann er 1969 das Jurastudium. Zahlreiche Auslandsstationen – in seiner Zeit ungewöhnlicher als heute – in Genf, Pavia, Den Haag, Paris und Harvard vertieften nicht nur seine Kenntnis des ausländischen und internationalen Privatrechts, sondern auch die der jeweiligen Landessprache, sodass er später auf internationalen Konferenzen spielend zwischen Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch wechseln konnte. Während seiner ersten Zeit am Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht von 1975 bis 1987 entstanden Dissertation und Habilitation neben einer erheblichen Zahl weiterer Veröffentlichungen. Von 1987 bis 1995 war Basedow Professor an der Universität Augsburg, von 1995 bis 1997 an der Freien Universität Berlin, bevor er als Direktor an das Max-Planck-Institut berufen wurde. Diese Stelle füllte er ganze 20 Jahre aus; auch nach seiner Emeritierung 2017 blieb er am Institut präsent. Am 6. April 2023 verstarb er, gänzlich unerwartet, in Hamburg.

Seine Lebensleistung ist staunenswert und nur durch ein hohes Maß an Kraft, Konzentration und Effizienz, aber auch Gelassenheit und Humor zu erklären. Sie ist zu groß, um in einem Nachruf von wenigen Seiten umfassend und adäquat gewürdigt zu werden. Daher beschränken wir uns auf Schlaglichter, die ihn in verschiedenen Rollen sichtbar werden lassen: als Wissenschaftler, Rechtspolitiker, Lehrer und prägendes Mitglied des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht.


Jürgen Basedow hat ein gewaltiges wissenschaftliches Werk geschaffen. Das Verzeichnis seiner Veröffentlichungen umfasst 56 Seiten, er hielt pro Jahr rund 20 Vorträge und reiste dafür um die ganze Welt. Die thematische Bandbreite sprengt alle Grenzen und reicht vom internationalen Familienrecht bis zum Weltkartellrecht, vom Transportrecht über das Versicherungsrecht zum europäischen Verbraucherrecht, vom internationalen Verfahrensrecht zur Privatrechtsvereinheitlichung, vom Binnenmarktrecht zur Rechtsvergleichung.

In seiner Dissertation widmete er sich dem internationalen Familienverfahrensrecht, in seiner Habilitationsschrift, zu der er während seines Pariser Aufenthalts von René Rodière angeregt wurde, dem Transportrecht. Das LL.M.-Studium in Harvard führte ihn zum Wettbewerbsrecht, einem Thema, dem er sich sowohl wissenschaftlich als auch praktisch während seiner Zeit als Mitglied und Vorsitzender der Monopolkommission (2000–2008) intensiv widmete – Monografien wie die zum „Weltkartellrecht“ (1998) und die Aufsatzsammlung „Mehr Freiheit wagen“ (2002) legen davon Zeugnis ab. Die in den 1980er-Jahren einsetzende Europäisierung des Privatrechts war zeitlebens ein weiterer Schwerpunkt seines Interesses. Um ein angemessenes Forum für deren wissenschaftliche Begleitung und Durchdringung zu sichern, gründete er 1993 gemeinsam mit Uwe Blaurock, Axel Flessner, Reiner Schulze und Reinhard Zimmermann die Zeitschrift für Europäisches Privatrecht. 2009 erschien das von ihm gemeinsam mit Klaus Hopt und Reinhard Zimmermann herausgegebene „Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts“, zwei Jahre später auch eine Ausgabe in englischer Sprache („The Max Planck Encyclopedia of European Private Law“). Die Summe seiner Forschungen und Thesen zum Europäischen Privatrecht findet sich in dem 2021 erschienenen Opus magnum „EU Private Law – Anatomy of a Growing Legal Order“, das in diesem Heft von Maciej Szpunar besprochen wird. Auch dem Internationalen Privat- und Verfahrensrecht blieb er treu, obwohl er klar dessen Beschränkungen für die praktische Bewältigung internationaler Transaktionen benannte. Seine Forschungen zum IPR krönte er mit dem Haager Cours Général (2012), als Monografie 2015 publiziert unter dem Titel „The Law of Open Societies – Private Ordering and Public Regulation in the Conflict of Laws“, aber auch mit der von ihm maßgeblich initiierten und mitherausgegebenen vierbändigen „Encyclopedia of Private International Law“.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen waren immer Fragen und Probleme der realen Welt, die er zunächst einmal empirisch aufarbeitete. Schon für seine Dissertation stellte er umfangreiche rechtstatsächliche Untersuchungen zur Anerkennungspraxis anhand von mehr als 3.000 Fällen aus den Landesjustizverwaltungen an. Da die Wirklichkeit nicht an staatlichen oder Fächergrenzen haltmacht, war es für ihn selbstverständlich, für die dann folgende rechtliche Analyse eine transnationale, rechtsvergleichende und interdisziplinäre Perspektive einzunehmen. Die Annahme, man fände in einer einzigen Rechtsordnung, und sei sie noch so ausziseliert wie die deutsche, die Lösung für alles und jedes, erschien ihm abwegig. Theorie als l’art pour l’art war seine Sache nicht, wohl aber die Gesamtschau wie auch die Systembildung. Kreativität und Offenheit, sowohl in der Wahl der Forschungsfragen als auch der Methoden, zeichnen Jürgen Basedows Werk aus. Er war davon überzeugt, dass es nicht das allein selig machende Mittel der Erkenntnis gibt, besonders, was die Rechtsvergleichung angeht. Dazu erschienen ihm die Realweltfragen zu vielfältig. Vielmehr verlange jede Forschungsfrage nach der ihr gemäßen, je eigenen Herangehensweise; die Methode müsse dem Gegenstand folgen. „Wirklichen Erkenntnisgewinn“, so schreibt er, „können wir nicht in der Wagenburg der Adepten einer einzigen Methode erwarten, wir brauchen methodische Öffnung und Freiheit“.

Damit ist gleichzeitig das wichtigste Leitmotiv seines Werks genannt, die Freiheit. Dies kommt besonders in dem Titel des Sammelbands zur Deregulierung, „Mehr Freiheit wagen“, und in seinem Haager Cours Général zum Ausdruck: Internationales Privatrecht verstand er als das Recht einer offenen Gesellschaft. Die Rechtswahlfreiheit, eingeschlossen ihr theoretisches Fundament und ihre Erstreckung auf das Delikts-, Sachen-, Erb- und Familienrecht, ist eines der zentralen Themen des Werks; ihre Behandlung nimmt die Hälfte des ganzen Buchs ein. Solche Freiheit empfand er zunehmend als bedroht. Eindringlich warnte er im Schlusswort des Symposionsbandes anlässlich seiner Emeritierung (erschienen 2018) vor Bürokratisierung, Überregulierung und lähmenden Freiheitseinschränkungen, seien sie noch so gut gemeint. Er erinnerte daran, dass „sich das Wissen um Probleme von Wirtschaft und Gesellschaft zunächst an der Basis bildet und erst allmählich, oft erst sehr spät, in das Bewusstsein der staatlichen Entscheidungsträger vordringt“ und dass „Menschen nur in Freiheitsräumen Verantwortungsbewusstsein entwickeln können“.

Ein zweites Leitmotiv war die Notwendigkeit einer noch stärkeren europäischen Integration, wobei er besonders auf die Überwindung nationaler Grenzen durch private Akteure und dementsprechend auf Privatrecht als enabling law setzte. Geboren im Jahr der Gründung der Bundesrepublik und aufgewachsen in der Nachkriegszeit, lag ihm das Europäische Projekt, lagen ihm die offenen Grenzen, der Wohlstandsgewinn durch Abbau von Protektionismus und Handelsschranken am Herzen. Er wurde nie müde, die Integration durch Rechtsvereinheitlichung zu verteidigen, gegen alles Lamento über die Kleinteiligkeit der Brüsseler Gesetzgebung. Ebenso wichtig war es ihm, die Einflüsse des europäischen Rechts auf das der Mitgliedstaaten, sei es im materiellen Recht, sei es im Kollisionsrecht, herauszuarbeiten.

Ein drittes Leitmotiv, auch für die Wahl der Themen, denen er sich als Wissenschaftler widmete und die er seinen Schülern ebenfalls ans Herz legte, lautete: „Das Recht entwickelt sich an seinen Grenzen.“ Gerade die Unübersichtlichkeit und das Sektorielle der internationalen und europäischen Rechtsakte mit ihrer Gemengelage aus Privatrecht und öffentlichem Recht, aus Sach- und Kollisionsrecht, aus materiellem und Verfahrensrecht empfand er als Aufgabe für die systematisierende Kraft des Wissenschaftlers. Das Fremdartige weckte in ihm Neugier, nicht Ablehnung. In vielen Beiträgen erschloss er scheinbar randständige Rechtsakte und Entscheidungen und stellte deren Verbindungen zum Kernprivatrecht her.

In allem war Jürgen Basedow ein veritabler Schriftsteller, der es nicht nötig hatte, sich hinter Bürokratendeutsch oder barockem Wortschwall zu verstecken. Er formulierte klar und konzise, ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch, mit Eleganz und Humor. Er hat von allen Herausgebern mit Abstand die meisten Glossen für die Zeitschrift für Europäisches Privatrecht verfasst. Sein letztes „Zu Guter Letzt“ erscheint dort in Heft 2/2023.


Aufgrund seines Interesses an aktuellen wirtschaftspolitischen Themen, seines stupenden Wissens und seines Ideenreichtums, aber auch seines Sinnes für die praktische Relevanz des Rechts war es folgerichtig, dass Jürgen Basedows Engagement und Rat auch in der Rechtspolitik gesucht wurde. Mit Ende 30 war er bereits Mitglied der von dem damaligen Bundeskanzler Kohl eingesetzten Deregulierungskommission und erarbeitete Vorschläge für mehr Wettbewerb zum Beispiel im Energiesektor, in der Transportwirtschaft und im Telekommunikationsbereich. Kurz darauf erwachte durch die europäische Öffnung und Deregulierung der Versicherungsmärkte, aber auch durch konkrete Fälle, die für ihn nach mehr Verbraucherschutz riefen, sein Interesse am Versicherungsrecht. Seine Grundidee war, dass dieses randständige und von Interessengruppen geprägte Rechtsgebiet in das allgemeine Vertragsrecht zurückgeholt werden müsste. Als es Anfang 2000 darum ging, ein neues Versicherungsvertragsgesetz zu erarbeiten, war es selbstverständlich, dass Jürgen Basedow in das Expertengremium zur Ausarbeitung von Gesetzgebungsvorschlägen berufen wurde. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Monopolkommission, die er von 2004 bis 2008 auch leitete, eine extrem zeitaufwendige Tätigkeit. Schwerpunkte waren das Verkehrs- und Energierecht. Mehrere Hauptgutachten und Stellungnahmen zu Unternehmensfusionen fielen in seine Amtszeit. Er setzte sich auch hier, wo er unmittelbaren Einfluss auf die Praxis nehmen konnte, für die Bewahrung des freien Wettbewerbs ein.

Jahrzehntelang gehörte Jürgen Basedow dem Deutschen Rat für Internationales Privatrecht an, und zwar beiden Kommissionen – der zum Personenrecht und der zum Vermögensrecht. Als sich das Zentrum der Gesetzgebung mit dem Amsterdamer Vertrag immer weiter in Richtung europäische Vereinheitlichung verschob, brachte er seinen Sachverstand auch dort ein, sei es im Rahmen des Groupe européen de droit international privé, sei es, gemeinsam mit den Referenten und Referentinnen des Instituts, mit ausführlichen Analysen und konstruktiv-kritischen Kommentaren zu den Verordnungsvorschlägen. In der Académie internationale de droit comparé sorgte er als Generalsekretär von 2006 bis 2014 für nötige Reformen. Auch im Institut de Droit international, im American Law Institute und in der Deutschen Gesellschaft für Internationales Recht (DGIR) war er nicht nur Mitglied, sondern aktiver Teilnehmer in Debatten und im Vorstand. Sein flammendes Plädoyer für einen intensiveren Austausch zwischen Völkerrecht und Internationalem Privatrecht bei der letzten Sitzung des Rates der DGIR im März 2023 wird allen Anwesenden noch in Erinnerung sein. Die International Academy of Commercial and Consumer Law hat er maßgeblich mit aufgebaut.

Vieles Weitere muss hier unerwähnt bleiben, zu groß ist die Zahl an Beiräten und Gremien, denen Jürgen Basedow angehörte. Er sagte selten Nein. Die Triebfedern seiner unermüdlichen Tätigkeit waren das Interesse am Neuen, am politischen Engagement und ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein.


Darüber hinaus war Jürgen Basedow ein begnadeter Professor und Vortragender. Seine Begeisterung für das internationale Recht steckte an. Ob im Hörsaal, im Seminar oder im Gespräch im Mitarbeiterkreis an Lehrstühlen in Augsburg und Berlin, an der Universität Hamburg oder im Rahmen seiner zahlreichen Gastprofessuren weltweit: Immer sprach er präzise und klar verständlich, spannend und Interesse weckend, dabei stets auf Augenhöhe. Er nahm seine Zuhörer ernst, hat nie über die Köpfe hinweggeredet. Er konnte mit wenigen Sätzen komplizierte Zusammenhänge auf den Punkt bringen und sie gleichzeitig in einem neuen Licht erscheinen lassen. Wenn er auf einer Tagung das Wort ergriff, herrschte stets gespannte Aufmerksamkeit. Jürgen Basedow war aber auch selbst ein guter Zuhörer, der jedem Vortrag etwas abgewinnen konnte.

Sein Wissen und seine Ideen hat er großzügig und freimütig geteilt, denn er hatte keinen Mangel an Stoff, an Einfällen und Themen. So hat er 20 Schülerinnen und Schüler erfolgreich zur Habilitation geführt, eine unübersehbare Zahl an in- und ausländischen Nachwuchswissenschaftlern hat bei ihm promoviert, eine Leistung, die in der deutschen Rechtswissenschaft ihresgleichen sucht. Dass er eine so große Schülerschar hatte, lag gewiss an seiner wissenschaftlichen Strahlkraft und seinen breitgespannten Interessen, aber auch an seiner gewinnenden Persönlichkeit.


Fast 40 Jahre verbrachte Jürgen Basedow am Hamburger Max-Planck-Institut – mehr als die Hälfte seines Lebens, aber auch mehr als die Hälfte des Lebens des Instituts seit seiner Neugründung. Das Institut hat Basedow geprägt, aber auch er hat das Institut geprägt.

Das galt schon für seine ersten Jahre am Institut, in denen er zunächst als Assistent und alsbald als Niederlandereferent wirkte – so wie vor ihm Ulrich Drobnig, der im vergangenen Jahr verstarb und für den er selbst in dieser Zeitschrift einen Nachruf verfasste, und so wie nach ihm Oliver Remien, der wie Basedow im April 2023 verstarb. Am Institut entstanden seine Dissertation, für die er die Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft erhielt, und seine Habilitation, die mit dem Kurt-Hartwig-Siemers-Preis der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung ausgezeichnet wurde. Schon damals galt er als Kronprinz – wenn Ulrich Drobnig als Direktor außer Haus war, ging man, so wird erzählt, mit seinen Fragen selbstverständlich zu Jürgen Basedow.

Und so schien es fast zwangsläufig, dass er nach seiner Zeit in Augsburg und Berlin 1997 in Nachfolge Ulrich Drobnigs als Direktor an das Institut zurückkehrte. Es war eine glückliche Kombination, dass das damalige Triumvirat mit Klaus Hopt, der kurz vor ihm gekommen war, und Reinhard Zimmermann, der wenig später als Nachfolger von Hein Kötz berufen wurde, die Europäisierung des Privatrechts aus unterschiedlichen Richtungen maßgeblich vorantreiben konnte. Die Einflussnahme geschah auf praktischer Ebene mit Stellungnahmen wie der zum Weißbuch der EU zum Europäischen Vertragsrecht wie auch auf wissenschaftlicher, insbesondere mit dem bereits erwähnten „Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts“. Die fruchtbare Zusammenarbeit setzte sich 2009 mit Holger Fleischer als Nachfolger von Klaus Hopt fort, vor allem im Austausch über aktuelle wirtschaftspolitische Themen. Gleichzeitig zeigte sich, dass Basedow mit seinem Verständnis einer gesellschaftsorientierten juristischen Grundlagenforschung eine neue Dynamik an das Institut brachte. Dieser Einfluss ist noch heute zu spüren.

Basedow wirkte auch in der Max-Planck-Gesellschaft: Von 2000 bis 2003 amtierte er als Vorsitzender der geistes-, sozial- und humanwissenschaftlichen Sektion, von 2004 bis 2006 musste er zusätzlich zu seinem Hamburger Amt als kommissarischer Direktor des Göttinger Instituts für Geschichte tätig werden. Von 2002 bis 2014 leitete er in Hamburg eine von ihm mitgegründete interdisziplinäre International Max Planck Research School for Maritime Affairs; dass diese nicht fortgeführt wurde, enttäuschte ihn.

Seinem Selbstverständnis zufolge war einem Direktor dieses Max-Planck-Instituts aufgetragen, als Botschafter des deutschen Privatrechts zu fungieren. Dieses Amt füllte er in zwei Richtungen aus. Einerseits sah er es als seine Aufgabe an, auch in deutschen rechtspolitischen Diskussionen zu intervenieren und dafür maßgebliche Erkenntnisse der Rechtsvergleichung und des Europarechts in das deutsche Recht zu übersetzen. Dabei sparte er nicht mit Kritik – der Verlag C.H. Beck etwa beschwerte sich, als er dem (damals noch so genannten) Palandt in einer Glosse die „Goldene Zitrone“ dafür verlieh, dass rechtsvergleichende und europarechtliche Bezüge nicht vorkamen und dass der Text durch die abgekürzte Sprache für Nichtmuttersprachler unlesbar war; nur Ersteres hat sich seitdem geändert. Andererseits vertrat er in der Welt das deutsche und europäische Recht – nicht primär dessen komplizierte Dogmatik, sondern vor allem einen bestimmten wissenschaftlichen Anspruch an das Recht.

In diesem Zusammenhang hat Basedow Gesetzgebungsprojekte und wissenschaftliche Forschung im In- und Ausland beeinflusst und zahllose Reisen in Universitäten in aller Welt unternommen. Seine weltweite Bedeutung zeigt sich in Anerkennungen. Er erhielt Ehrendoktortitel von der Universität Stockholm (2002), der Leuphana Universität Lüneburg (2012), der Ivane-Javakhishvili-Universität Tiflis (2012), der Kyushu-Universität Fukuoka (2013), der Université Panthéon-Assas – Paris II (2016) und der Universitat de València (2019). Die Xi’an-Jiaotong-Universität ernannte ihn 2008 zum Ehrenprofessor und die Ungarische Akademie der Wissenschaften 2007 zum Ehrenmitglied. Was Basedow in seinem Nachruf über Drobnig schrieb – dass dieser „ein weltumspannendes Netzwerk wissenschaftlicher Kontakte für ‚sein‘ Institut, das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, geschaffen hat“ –, das gilt in vielleicht noch größerem Maße für ihn selbst.

Mit seiner Emeritierung 2017 zog sich Basedow wohl aus den öffentlichen Ämtern zurück, nicht aber aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Seitdem entstand nicht nur das genannte Werk „EU Private Law“, sondern er arbeitete an einer weiteren Monografie zur Rechtsvereinheitlichung, die nun postum veröffentlicht werden soll. Gleichzeitig nahm er aktiv am Institutsleben teil; einigen erschien er zeitweise gelöster, lockerer als zur anstrengenden Zeit seines Direktorenamts. Noch eine Woche vor seinem Tod diskutierte er, lebhaft wie immer, bei einem von seiner Schülerin Nadjma Yassari geleiteten Symposium zum islamischen Erbrecht, wenige Tage später wollte er zu einer Vortragsreise nach New York aufbrechen, und am 27. April 2023, dem Tag der Trauerfeier, sollte er die keynote speech bei der Eröffnung des neuen familienrechtlichen Zentrums in Aalborg halten und an der Antrittsvorlesung seines Schülers Jens Scherpe teilnehmen.


Vom Abschiednehmen hielt Jürgen Basedow nichts. Wenn man nach einem Seminartag oder auf einer Konferenz abends noch bei einem Glas Wein zusammensaß, konnte es passieren, dass er, gerade noch das Zentrum einer lebhaften Debatte, auf einmal buchstäblich verschwunden war, ohne Zeremonie, ohne die Gesellschaft zu stören. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter scheiterten mit ihrem Ansinnen, sich von ihm nach Ende der Dienstzeit verabschieden zu wollen: „Sie bleiben doch in der Wissenschaft, also werden wir uns ohnehin ständig wiedersehen“, so lautete seine Antwort. Und in der Tat: Die Wissenschaft kennt keinen Abschied. Jürgen Basedow wird am Max-Planck-Institut, in den Gesellschaften, Akademien, Gremien, Zeitschriften und wissenschaftlichen Projekten, die er gegründet, geleitet und geprägt hat, weiter präsent sein und in seinem wissenschaftlichen Werk und in seinen Schülerinnen und Schülern weiterleben.


Eva-Maria Kieninger, Würzburg 
Ralf Michaels, Hamburg     


Der Nachruf wird in Heft 2/2023 der Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (RabelsZ) erscheinen.
https://doi.org/10.1628/rabelsz-2023-0051



Bildnachweis: © Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht / Johanna Detering

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