Reinhard Zimmermann erhält den Antonio-Feltrinelli-Preis

10. Mai 2023

Reinhard Zimmermann, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, ist der Antonio-Feltrinelli-Preis verliehen worden. Dieser gilt als bedeutendster italienischer Preis für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Wissenschaft und der Kultur. Mit ihm zeichnet die nationale Akademie der Wissenschaften Italiens, die Accademia Nazionale dei Lincei, jedes Jahr italienische und ausländische Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus.

Den mit 100.000 Euro dotierten Antonio-Feltrinelli-Preis erhält Reinhard Zimmermann für seinen bahnbrechenden Beitrag zur Europäisierung der Rechtswissenschaften. Mit der von ihm verfolgten historisch-rechtsvergleichenden Methode trägt er der Erkenntnis Rechnung, dass rechtliche Phänomene sich vielfach nur durch eine Verschränkung historischer und vergleichender Perspektiven richtig verstehen lassen. Damit werden nationale Besonderheiten der modernen Privatrechtsordnungen in ihrer Bedeutung relativiert, und es wird deutlich, dass diese Teil einer bis auf das antike römische Recht zurückreichenden gemeineuropäischen Tradition sind. Zimmermann hat dieses Programm zunächst in seinem schon bald zum Klassiker avancierten Buch „The Law of Obligations: Roman Foundations of the Civilian Tradition“ (1990/1996) umgesetzt und danach in einer Fülle von Büchern und Aufsätzen weiterentwickelt und verfeinert. Er hat damit gleichzeitig Grundlagen gelegt für die Entwicklung von Modellregeln für ein einheitliches europäisches Vertragsrecht – einer Entwicklung, an der er maßgeblich mitgewirkt hat und die in den „Commentaries on European Contract Laws“ (2018, herausgegeben gemeinsam mit seinem akademischen Schüler Nils Jansen) eine zusammenfassende Analyse gefunden hat. In jüngerer Zeit hat sich Zimmermann verstärkt der systematischen Erforschung des Erbrechts in Europa und den europäisch geprägten Jurisdiktionen außerhalb Europas zugewandt und seinen Ansatz damit für ein wissenschaftlich bislang vernachlässigtes, praktisch aber ungemein wichtiges Rechtsgebiet fruchtbar gemacht. Weitere Schwerpunkte der Tätigkeit von Zimmermann sind die Erforschung von Verbindungen des kontinentaleuropäischen civil law mit dem englischen common law und von sogenannten „Mischrechtsordnungen“.

Der Antonio-Feltrinelli-Preis geht auf eine testamentarische Stiftung nach dem Muster der Nobelstiftung zurück und wird seit 1950 in den Gebieten der Geistes- und Naturwissenschaften, sowie der Literatur, Kunst und Medizin vergeben. Die 1603 gegründete Accademia Nazionale dei Lincei, zu deren bekanntesten Mitgliedern Galileo Galilei gehörte, ist die angesehenste wissenschaftliche Gesellschaft Italiens. Einer der ersten Träger des Antonio-Feltrinelli-Preises war 1952 Thomas Mann. Im Gebiet Geisteswissenschaften wurden bislang vier Juristen ausgezeichnet, darunter 1955 Ernst Rabel, der Gründer des heutigen Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht. 1960 folgte der Staatsrechtslehrer und Rechtstheoretiker Hans Kelsen und 1985 der Rechtshistoriker Franz Wieacker. Zu den Preisträgern des Jahres 2020 gehörte Mario Draghi. 2023 werden insgesamt fünf internationale Preise in Höhe von jeweils 100.000 Euro für die Bereiche Rechtswissenschaften, Physik, Archäologie, Kunst und Medizin verliehen. Vier davon gehen an deutsche Preisträger*innen. Neben Reinhard Zimmermann (Rechtswissenschaften) werden Anselm Kiefer (Kunst), Wolf Dieter Heilmeyer (Archäologie) sowie gemeinschaftlich Uğur Şahin und Özlem Türeci (Medizin) ausgezeichnet. Die feierliche Übergabe des Preises durch den italienischen Staatspräsidenten erfolgt am 23. Juni 2023 in Rom.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann, geboren 1952 in Hamburg, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg. 1981 folgte er dem Ruf auf den W.P. Schreiner-Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsvergleichung an die Universität Kapstadt. Von 1988 bis 2002 hatte er den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Römisches Recht und Historische Rechtsvergleichung an der Universität Regensburg inne. Gastprofessuren führten ihn unter anderem nach Oxford, Cambridge, Yale, Chicago, Auckland und Santiago de Chile. Sein Werk hat weltweit Resonanz gefunden, wovon nicht zuletzt seine bis dato elf Ehrendoktorwürden namhafter Universitäten von Edinburgh, Lund und Maastricht bis McGill und Chicago zeugen. 1996 wurde Zimmermann mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. 2002 wurde er zum Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht ernannt, wo er im Oktober 2022 emeritierte. Seit 2011 ist Zimmermann Präsident der Studienstiftung des deutschen Volkes.
 



Bildnachweis: © David Ausserhofer

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