Gemeinsame Stellungnahmen zweier Max-Planck-Institute für das BMJ

29. März 2022

Das Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht und das Max-Planck-Institut Luxemburg für Internationales, Europäisches und Regulatorisches Verfahrensrecht haben gemeinsam für das Bundesministerium der Justiz (BMJ) wissenschaftliche Stellungnahmen zu zwei aktuellen Gesetzesentwürfen erarbeitet. Diese enthalten Änderungen der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) und weiterer Gesetze, mit denen die internationale Zustellung und Beweisaufnahme erleichtert sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen vereinheitlicht werden sollen.

Beschleunigte und vereinfachte internationale Zustellung und Beweisaufnahme

Der Referentenentwurf zum Gesetz zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen und grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in Zivil- oder Handelssachen, zur Änderung der Zivilrechtshilfe, des Vormundschafts- und Betreuungsrechts sowie sonstiger Vorschriften soll unter anderem der Implementierung der EU-Verordnungen EuZVO 2022 und EuBVO 2022 dienen. Diese haben die Beschleunigung und Vereinfachung grenzüberschreitender Zustellungen und Beweisaufnahmen durch Einbindung technologischer Hilfsmittel in den Verfahrensgang zum Ziel. Darüber hinaus sind Änderungen bei der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme im Verhältnis zu Staaten außerhalb der EU vorgesehen. So sollen Rechtshilfeersuchen zwischen Mitgliedstaaten künftig elektronisch zu übermitteln sein. Für Beweisaufnahmeersuchen zwischen Deutschland und Common Law Staaten, insbesondere Großbritannien und den USA, sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch Ersuchen nach einer „pre-trial discovery of documents“ erledigt werden können.

Erhöhte Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen

Der Referentenentwurf zum Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 2. Juli 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung soll im Wesentlichen die Verpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten aus dem Übereinkommen umsetzen. Damit sollen Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten erhöht werden. Dies trägt zur Verwirklichung der UN-Nachhaltigkeitsziele 10 „Ungleichheit in und zwischen den Ländern verringern“ und 16 „Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“ bei.

Kompetenzbündelung zweier Institute

Unter der Leitung der Institutsdirektoren Ralf Michaels und Burkhard Hess erstellte ein Team bestehend aus Hannah Deters, Niels Elsner, Philomena Hindermann, Jakob Olbing und Christine Toman Kommentierungen einzelner Regelungen der Entwürfe und formulierte konkrete Vorschläge zu ihrer Überarbeitung. „Als die Anfragen des BMJ bei uns eingingen, wollten wir sicherstellen, dass unsere Stellungnahmen den aktuellen Stand aus Wissenschaft und Praxis sowohl im internationalen Privatrecht als auch im internationalen Zivilverfahrensrecht zur Grundlage haben“, sagt Ralf Michaels vom Hamburger Institut. „Da die Gesetzesvorhaben die Kompetenzen unseres und auch des Luxemburger MPI betreffen, lag es für uns nahe, zusammenzuarbeiten.“

Vorschläge zur Überarbeitung

Unter anderem empfehlen die Wissenschaftler*innen, im unternehmerischen Verkehr neben der relativ schwergängigen elektronischen Zustellung mittels eines qualifizierten Dienstes die von der EuZVO vorgesehene Zustellung per E-Mail zuzulassen, sofern der Adressat dem vorab ausdrücklich zugestimmt hat. Ferner begrüßen sie die im Entwurf vorgesehene Aufgabe des absoluten Vorbehalts zum Haager Beweisaufnahmeübereinkommens (HBÜ) in Bezug auf Rechtshilfeersuchen, die die Dokumentenvorlage im „pre-trial discovery“-Verfahren zum Gegenstand haben. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass der im Entwurf vorgesehene ordre public-Vorbehalt für einen effektiven Schutz privater Daten und Unternehmensgeheimnissen nicht erforderlich und für die Zwecke des HBÜ sogar hinderlich ist.

Hinsichtlich der geplanten Neuregelungen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen merken die Wissenschaftler*innen an, dass es hier im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung grundsätzlich sinnvoller wäre, anstelle von Rechtsakten auf nationaler Ebene EU-weite Durchführungsbestimmungen zu schaffen. Da eine solche einheitliche Regelung aber bislang nicht angestrebt werde, begrüßen sie den Referentenentwurf und formulieren Änderungsvorschläge, die auf eine stärkere Reduktion einzelner Wahl- und Ermessensspielräume abzielen. So empfehlen sie etwa, zur Bescheinigung über vollstreckbare inländische Titel ausschließlich das von der Haager Konferenz zur Verfügung gestellte Formular zuzulassen. Außerdem schlagen sie vor, die Versagungs- und Aufschiebungsgründe gesetzlich zu regeln und den Gerichten dafür kein Ermessen einzuräumen.

Die Stellungnahmen sind auf der Website des BMJ unter folgenden Links als PDF-Downloads verfügbar.

Stellungnahme Gesetzesentwurf grenzüberschreitende Zustellungen

Stellungnahme Haager Übereinkommen

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