Große Gesellschaftsverträge aus Geschichte und Gegenwart

7. Juli 2021

Viele Rechtsschöpfungen und Innovationen, die in die gesellschaftsrechtliche Legalordnung eingegangen sind, haben ihren Ursprung in Gründungsurkunden und Vertragswerken. Trotzdem wurde der Gesellschaftsvertrag bisher kaum als eigener Forschungsgegenstand behandelt. Holger Fleischer, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, ist Mitherausgeber eines soeben erschienenen Sammelbandes, der dazu beitragen soll, diese Lücke zu schließen.

Gemeinsam mit Sebastian Mock, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, hat Holger Fleischer eine Untersuchungsreihe ins Leben gerufen, deren Ergebnis jetzt vorliegt: 27 berühmte Gesellschaftsverträge werden – zum Teil erstmals – aus Unternehmensarchiven für die Fachöffentlichkeit erschlossen, dokumentiert und in ausführlichen Essays erläutert. Ein Eingangs- und ein Schlusskapitel zum gewählten Forschungsansatz runden den umfangreichen Band ab.

Von der altrömischen societas über die Florentiner Medici, die Augsburger Fugger und die niederländisch-ostindische Compagnie bis hin zu Daimler-Benz/Chrysler und Google spannen die Autor*innen, zu denen auch Yannick Chatard, Konstantin Horn, Matthias Pendl und Julia Tittel gehören, einen außergewöhnlich weiten historischen Bogen. Als besonders fruchtbares Gelände für unternehmerische Zweckzusammenschlüsse erweist sich Hamburg. Allein vier Beiträge beschäftigen sich mit prominenten Unternehmen und Institutionen der Hansestadt: So werden die Statutengeschichte des von Max Herz gegründeten Familienunternehmens Tchibo, der Werdegang der Hamburger Hochbahn von einer privaten zu einer staatlichen Aktiengesellschaft, die als gemeinnützige Kapitalgesellschaft organisierte Bucerius Law School sowie die Satzung der HSV Fußball AG analysiert. Ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte erzählen die Statuten der IG Farben sowie die erstmals öffentlich zugänglich gemachte Satzung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung. Eine herausragende Rechtsinnovation bildet das Standard Oil Trust Agreement von 1882. Das dem rechtlichen und wirtschaftlichen Schicksal dieser „Mother of Trusts“ gewidmete Kapitel beleuchtet auch die mit ihr eng verwobene Biografie John D. Rockefellers.

Große Gesellschaftsverträge und Satzungen gehören, so die Herausgeber, zu den Schlüsseltexten des Gesellschaftsrechts. Insbesondere böten die Quellen- und Wissensbestände der modernen Unternehmensgeschichte eine Fundgrube für die gesellschaftsrechtliche Grundlagenforschung. Für eine zukünftige Fortentwicklung dieses Forschungsfeldes weisen sie zudem auf bisher kaum erkundete Kooperationsmöglichkeiten mit den Geistes- und Wirtschaftswissenschaften hin.


Holger Fleischer, Sebastian Mock (Hrsg.), Große Gesellschaftsverträge aus Geschichte und Gegenwart (Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, Sonderheft 24), de Gruyter, Berlin 2021, VII + 1379 S.
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