Vorbemerkung


Die Aufgabe des Gerichts, das Recht auf den gegebenen Sachverhalt anzuwenden (da mihi factum, dabo tibi ius), umfasst auch ausländisches Recht, soweit dieses relevant wird. Doch muss das ausländische Recht vor der Anwendung regelmäßig erst ermittelt werden. Dazu kann das Gericht auf verschiedene Hilfsmittel zurückgreifen, darunter das Sachverständigengutachten. Hierbei stellt sich eine ganze Reihe rechtlicher und praktischer Probleme, die weder gesetzlich noch richterrechtlich voll gelöst sind oder gelöst werden können.

Die nachfolgenden Handlungsempfehlungen („Hamburger Leitlinien“) wurden in Hamburg am dortigen Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht entworfen, auf einer Konferenz am 16./17. Juni 2023 mit externen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen diskutiert und im Nachgang dazu finalisiert. Sie wollen allen Beteiligten – insbesondere Gerichten, Sachverständigen und Parteien (einschließlich deren Vertreter*innen) – dabei helfen, den Umgang mit ausländischem Recht rechtskonform, transparent und effizient zu gestalten. Inhaltlich beruhen die Hamburger Leitlinien auf praktischen Erfahrungen aller Beteiligten, vor allem der Gerichte sowie der Institute, die regelmäßig Gutachten erstellen. Zugleich bilden sie die Vorgaben ab, die aus Gesetz und Rechtsprechung folgen, insbesondere der Rechtsprechung des BGH, die freilich oft Sonderfälle betrifft und deren Grundsätze der BGH selbst nicht immer verallgemeinert wissen will. Wegen ihrer Ausrichtung auf den Normalfall, aber auch wegen der Vielgestaltigkeit der Praxis erheben die Hamburger Leitlinien nicht den Anspruch, für jegliche Konstellation die passende Lösung bereitzuhalten. Bindend sind sie ohnehin nicht.

Nach dem für alle Beteiligten relevanten Art. 1 (Grundlagen) sind die Leitlinien zur Vereinfachung des Zugangs nach den unterschiedlichen Rollen geordnet. Die Gesamtschau aller Leitlinien ermöglicht so ein vollständiges Verständnis des Verfahrens. Der Begriff der Partei umfasst auch Beteiligte in nichtstreitigen Verfahren, vor allem solchen des FamFG.

Zum besseren Verständnis und zur erleichterten Handhabung werden die Hamburger Leitlinien punktuell durch Beispiele illustriert oder zusätzlich erläutert. Ebenso sind einschlägige Grundlagen in Gesetz und Rechtsprechung dort angegeben, wo das zum Verständnis hilfreich erscheint.

Die Hamburger Leitlinien sind auf Verfahren vor Zivilgerichten ausgerichtet, im Grundsatz aber auch auf andere Fälle anwendbar, in denen deutsche Gerichte oder Behörden (z.B. Finanzgerichte, Strafgerichte, Asylbehörden, Finanzbehörden, Standesämter) ausländisches Recht anzuwenden haben.

Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte sagen die Hamburger Leitlinien nichts, da die Gerichte diese Frage anhand der einschlägigen Rechtsquellen (z.B. Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO, §§ 97 ff. FamFG) eigenständig beantworten können und müssen.

Für Sachverständige im Singular benutzen die Hamburger Leitlinien die maskuline Form, um Einklang mit den §§ 402 ff. ZPO herzustellen.

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