Art. 1: Grundlagen


§ 1 Abgrenzung der Aufgaben von Gerichten, Sachverständigen und Parteien


1. Ob ausländisches oder deutsches Recht anwendbar ist, ergibt sich aus dem europäischen, staatsvertraglichen und deutschen Internationalen Privatrecht (IPR) (vgl. Art. 3 EGBGB). Diese IPR-Vorschriften sind Teil des deutschen Rechts. Ihre Ermittlung, Auslegung und Anwendung ist deshalb eine originäre Aufgabe des Gerichts, die es nicht auf einen Sachverständigen übertragen kann.


2. Auch die Ermittlung, Auslegung und Anwendung des ausländischen Rechts ist im Grundsatz Aufgabe des Gerichts. Hierzu kann es sich einer Fülle von Erkenntnisquellen bedienen (→ Art. 2 § 3), darunter auch der Hilfe eines Sachverständigen.

Rechtsgrundlage: § 293 ZPO.

3. Die Parteien können das Gericht bei der Ermittlung ausländischen Rechts unterstützen, sind über ihre allgemeine Prozessförderungs- bzw. Mitwirkungspflicht hinaus dazu aber grundsätzlich nicht verpflichtet. Da ausländische Rechtsnormen als Rechtssätze und nicht als Tatsachen behandelt werden, finden insoweit die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast keine Anwendung.

Rechtsprechung: BGH, Beschl. v. 24.8.2022 – XII ZB 268/19, BGHZ 234, 270 (= IPRspr 2022-1).


§ 2 Allgemeine Ziele


Die Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts im Verfahren orientiert sich an folgenden Zielen:

  • der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Justizgewährungsanspruchs;
  • dem Erlass einer Entscheidung unter zutreffender Anwendung des IPR und des ggf. anwendbaren ausländischen Rechts;
  • der Vermeidung unnötiger oder unverhältnismäßiger Kosten und Verzögerungen für alle Beteiligten;
  • der sachgerechten Zuweisung der verschiedenen Aufgaben an die Beteiligten;
  • der transparenten Kommunikation unter den Beteiligten.
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