Gastvortrag Prof. Dr. Didier Boden: Die Anwendung des dritten Nürnberger Gesetzes durch ausländische Staaten (1935-1945)

  • Datum: 27.04.2021
  • Uhrzeit: 17:00

Zusammenfassung der Ergebnisse von fünfzehn Jahren Forschung und Anmerkungen zu den Methoden der Rechtsvergleichung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts.

 

Zum Referenten:

Prof. Dr. Didier Boden ist Maître de conférences an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne und Professor h.c. der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität San Martín de Porres (Lima). Als Spezialist im internationalen Privatrecht – seine Promotion widmete sich dem Rechtspluralismus im IPR – nahm er 2006 an der ersten Postdoktoranden-Konferenz zum europäischen Privatrecht des Hamburger Max-Planck-Instituts teil. Er unterrichtet jedes Jahr in Kairo, in Buenos Aires und in Bukarest und war Gastvortragender bzw. Gastprofessor an der slowakischen Justizakademie und an zahlreichen Universitäten in Argentinien, Brasilien, Chile, China, Kolumbien, Kongo-Kinshasa, Italien und Peru. Prof. Dr. Boden ist eines der gewählten Mitglieder im Conseil National des Universités, in der Abteilung Privatrecht und Kriminalwissenschaften.

 

Zum Thema:

Am Sonntag, 15. September 1935, erließ der Reichstag in Nürnberg drei Gesetze: das Reichsflaggengesetz, das Reichsbürgergesetz und das Blutschutzgesetz zum Schutze der „Reinheit des deutschen Blutes“, das sogenannte Mischehen zwischen Juden und Nichtjuden verbot. Dieses Gesetz ist seit jeher intensiv untersucht worden, ganz überwiegend allerdings in seiner nationalen Bedeutung.

Von Anfang an hatte das Gesetz aber internationale Auswirkungen. Die erste Anwendung der eherechtlichen Bestimmungen des dritten Nürnberger Gesetzes erfolgte nicht auf deutschem Gebiet, sondern schon am Folgetag, dem 16. September 1935, in Amsterdam, in Anwendung des Haager Eheschließungsabkommens von 1902, nach dem niederländische Behörden das deutsche Eheschließungsgesetz auf deutsche Staatsangehörige anzuwenden hatte, die auf niederländischem Gebiet heiraten wollten.

In wenigen Tagen verbreitete sich über die Niederlande in Europa und im Rest der Welt die Nachricht, dass das dritte Nürnberger Gesetz sehr konkrete internationalprivatrechtliche Probleme hervorbrachte. Auf Zeitungsartikel von Journalisten folgten sehr schnell wissenschaftliche Abhandlungen von Juristen. Weltweit wurden in den Ministerien und Botschaften zahlreicher Länder hunderte Briefe, Telegramme und Telefonanrufe ausgetauscht. Sie alle betrafen die gleiche Frage: Machen es die Regeln unseres internationalen Privatrechts erforderlich, die im dritten Nürnberger Gesetz enthaltenen rassistischen Eheverbote auf deutsche Staatsangehörige anzuwenden, die auf unserem Gebiet heiraten wollen?

Der Vortrag präsentiert die Ergebnisse von 15 Jahren Forschungsarbeit zum Thema, die in bisher noch nie berücksichtigten Archiven zahlreicher Länder durchgeführt wurden. Der Referent hat in 45 Ländern Informationen über 376 Paare gefunden, die versucht haben, mit oder ohne Erfolg – und manchmal erfolglos in einem ersten Land und erfolgreich in einem Zweiten – außerhalb des Deutschen Reichs entgegen dem dritten Nürnberger Gesetz zu heiraten.

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