Der Rechnungsschock und seine rechtliche Bewältigung

12. Juni 2018

Der rasante Fortschritt von Mobilfunk und stationärem wie mobilem Internet in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten begünstigt Situationen, in denen Nutzer Technik oder Tarife nicht wie gedacht beherrschen. Wenn sie dann von einer ungewöhnlich hohen Rechnung überrascht werden, spricht man verbreitet von einem ‚Rechnungsschock‘. Dr. Eckart Bueren, wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, untersucht in „Der Rechnungsschock: Hinweispflichten im Bürgerlichen Recht und ihre Grenzen“ das einschlägige Fallrecht rechtsdogmatisch, rechtsvergleichend und rechtsökonomisch.

Immer wieder kommt es vor, dass bei Kunden z. B. durch Mobilgespräche während einer Auslandsreise, eine Fehlkonfiguration des Routers oder durch eine automatische Geräteeinwahl ins Internet Kosten anfallen, die in keiner Relation zu dem üblichen Umsatz des Kunden in dem Vertragsverhältnis stehen. Diese und andere Fälle „atypischer Nutzung“ mit einem nachfolgenden Rechnungsschock untersucht Eckart Bueren aus rechtwissenschaftlicher Perspektive in der kürzlich bei Mohr Siebeck erschienenen Monografie. Er erörtert die Reaktion der Rechtsordnung auf die Problematik im Regulierungs- und im Zivilrecht und untersucht den Ansatz der Zivilgerichte kritisch rechtsdogmatisch, rechtsvergleichend sowie rechtsökonomisch.

Regulierungsrechtlich hat die Europäische Union mit der Universaldienstrichtlinie und der Roaming-Verordnung diverse Maßnahmen zur Kostentransparenz, zur Stärkung des Wettbewerbs, zur Kostenbegrenzung und zur Preisregulierung ergriffen, wobei der Zugriff schrittweise fester geworden ist. Der deutsche Gesetzgeber ist im Telekommunikationsgesetz zunächst gegen Missbräuche von Mehrwertdienstnummern vorgegangen, später hat er die Schutzinstrumente der Roaming-Verordnung auf inländische Sachverhalte übertragen. Zusammengenommen werden die regulierungsrechtlichen Gegenmaßnahmen die „klassische“ Rechnungsschock-Problematik erheblich eindämmen, allerdings nicht vollständig beheben. Wichtige Lücken werden in der Monografie aufgezeigt.

Zivilrechtlich haben die deutschen Gerichte die Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen verpflichtet, das Nutzungsverhalten ihrer Kunden in Echtzeit zu überwachen, und, sobald es „selbstschädigend“ erscheint, die Betroffenen zu warnen und ggf. ihren Anschluss zu sperren. Eckart Bueren überprüft diesen Lösungsansatz aus drei methodischen Perspektiven: erstens rechtsdogmatisch, indem geprüft wird, inwieweit sich der Ansatz der Rechtsprechung in die Dogmatik zu Warn- und Hinweispflichten einpassen lässt und inwieweit er systematisch stimmig erscheint; zweitens rechtsvergleichend mit Blicken nach Österreich, Frankreich, die Schweiz und die USA; schließlich drittens rechtsökonomisch unter Auswertung neuer wirtschaftswissenschaftlicher Forschung, die es insbesondere aus den USA gibt. Aufbauend auf seinen Befunden zeigt Eckart Bueren alternative zivilrechtliche Lösungswege auf, insbesondere im AGB-Recht und über § 138 BGB (Wucher, wucherähnliches Geschäft), und argumentiert, dass sich hiermit die Problematik zuverlässiger und dogmatisch stimmiger bewältigen lässt.

Ein ausführliches Interview mit Eckart Bueren zur Thematik des Rechnungsschock.

Eckart Bueren, Der Rechnungsschock: Hinweispflichten im Bürgerlichen Recht und ihre Grenzen – Rechtsdogmatik, Rechtsvergleichung, Rechtsökonomik (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht, 399), Mohr Siebeck, Tübingen 2018, XV + 182 S.

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