Die junge Rechtsgeschichte – Kategorienwandel in der rechtshistorischen Germanistik der Zwischenkriegszeit

25. Oktober 2018

Gesellschaftliche Modernisierung und technisch-industrielle Beschleunigung bewirkten in der Epoche zwischen 1880 und 1930 einen tiefgreifenden Wandel in den Humanwissenschaften. In Deutschland war dieser Umbruch besonders nach 1918 von der sogenannten Krise des Historismus geprägt. Hatte das historische Wissensparadigma den Prozess der nationalen Einigung mit ermöglicht und zugleich erhöht, kam es nach dem Zusammenbruch der Monarchie zu einer Welle antihistorischer Polemiken. Damit stand auch die Wissenschaft vom Deutschen Recht vor der Herausforderung, sich neu zu orientieren. In seiner soeben erschienenen Habilitationsschrift identifiziert Priv.-Doz. Dr. Johannes Liebrecht, wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Privatrecht, die unterschiedlichen Impulse sowie die wichtigsten Erneuerungsdiskurse dieser Jahre und bewertet ihre Rolle im Prozess der Modernisierung der Rechtsgeschichtswissenschaft.

Begleitet von einem Generationenwandel war die sogenannte germanistische Rechtshistoriographie während der Zwischenkriegszeit von einer engagierten Suche nach methodischen Neuanfängen gekennzeichnet. Die „Germanisten“ fanden sich im Gegensatz zu einer etablierten, offenbar alldominanten Leitgeneration wieder. Wie auch die Protagonisten anderer Reformprojekte des frühen 20. Jahrhunderts begriffen sie sich emphatisch als jung. Der Autor geht der Frage nach, wie sie den Umriss des Wandels wahrnahmen, in welche Begriffe sie Aufgabe und Verheißung ihrer Wissenschaft fassten und welche Strömungen sich dabei bildeten. Neben einer Auswertung des eigentlichen Forschungsdiskurses in Form von spezifischen Aufsätzen und Monographien dienten dem Autor dabei auch zahlreiche Gelehrten-Nachlässe und die in ihnen konservierten Briefkorrespondenzen als Quelle.

Die Schrift besteht aus drei Kapiteln. Nach einer Einleitung zu Thema und Methode wird den beiden erfolgreichsten Vorreitern des Kategorienwandels Franz Beyerle und Heinrich Mitteis jeweils ein Schwerpunktkapitel gewidmet. Ein drittes Schwerpunktkapitel deckt auf einer strukturellen Ebene die methodologischen Muster und neuen Diskurse auf, mit denen der Herausforderung des Wandels begegnet wurde. Fünf unterschiedliche Strömungen, die alle als repräsentativ für die Wissenschaftslandschaft der Weimarer Zeit gelten können, kommen dabei zur Sprache. Abschließend werden der Kontext des Geschehens und sein Bezug auf die Krise des Historismus betrachtet, um zu einer besseren Bewertung der Rechtsgeschichtswissenschaft zu gelangen.

Johannes Liebrecht, Die junge Rechtsgeschichte. Kategorienwandel in der rechtshistorischen Germanistik der Zwischenkriegszeit (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, 99), Bucerius Law School Hamburg, Tübingen 2018, Habilitationsschrift, XIV + 471 S.

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