Habilitationsschrift zur Transformation der russischen Eigentumsordnung

5. März 2019

Das moderne russische Recht spiegelt einen in der russischen Gesellschaft vorhandenen Konflikt zwischen zwei konkurrierenden gesellschaftlichen Modellen wider: einem traditionellen, d.h. überwiegend sozialistisch geprägten Gesellschaftsmodell und einer liberalen (individualistischen) Grundordnung. Dies lässt sich auch an zwei parallel existierenden Eigentumsbegriffen festmachen. Das spannungsreiche Nebeneinander und die Konkurrenz liberaler und kollektivistischer Ansätze im russischen Eigentumskonzept untersucht Dr. habil. Eugenia Kurzynsky-Singer, ehemalige wissenschaftliche Referentin am Max-Planck-Institut für Privatrecht, in ihrer mit dem deutsch-russischen Juristenpreis ausgezeichneten Habilitationsschrift „Transformation der russischen Eigentumsordnung – Eine vergleichende Analyse aus der Sicht des deutschen Rechts“.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion ließ die Erwartung entstehen, dass sich Russland rasch in das Wirtschafts-, Gesellschafts- und Wertesystem der westlichen Welt eingliedern würde. Doch die Angleichung russischer Verhältnisse an die Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme der westlichen Länder ist nicht in dem erwarteten Maße erfolgt. Vielmehr folgte die Entwicklung in Russland in vielerlei Hinsicht einem Sonderweg, den Eugenia Kurzynsky-Singer in ihrer nun vorliegenden Publikation am Beispiel der Transformation des Eigentumskonzeptes nachzeichnet.

Den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildet die Vorstellung, dass jeder Rechtsordnung eine rechtskulturelle Dimension immanent ist, die durch Wertentscheidungen der Gesellschaft und ganz entscheidend durch das gesellschaftliche Modell geprägt ist. In ihrer Analyse setzt Eugenia Kurzynsky-Singer die russische Eigentumsdogmatik in Bezug zur Rechtskultur des Landes, wobei sie die Kontinuitäten im juristischen Denken vom Zarenreich bis in das moderne Russland aufzeigt und untersucht. Ein besonderes Augenmerk gilt den Relikten des sowjetischen Eigentumsverständnisses und ihrer Einbettung in das moderne russische Sachenrecht. Der Vergleich zum deutschen Eigentumsverständnis ermöglicht dabei Einblicke in die Dynamik und Gesetzmäßigkeiten der Transformation einer postsozialistischen Rechtsordnung.

Wie Eugenia Kurzynsky-Singer darlegt, ist die Entwicklung des russischen Eigentumsbegriffs bislang nicht abgeschlossen. Die Autorin geht vielmehr von der Entstehung eines neuen Eigentumsrechts aus: einer Synthese der sowjetischen Rechtstradition und des kontinentaleuropäischen Eigentumskonzepts, das im Ergebnis aber auf anderen Wertungen und Grundlagen beruht als das liberale Eigentumskonzept des kontinentaleuropäischen Rechts.

Eugenia Kurzynsky-Singer, Transformation der russischen Eigentumsordnung – Eine vergleichende Analyse aus der Sicht des deutschen Rechts, Mohr Siebeck, Tübingen 2019, Habilitation, Universität Hamburg 2018, 470 S.

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