Kompetenzzentrum China:Forschung zum Zivilrecht einer führenden Wirtschaftsmacht

Kompetenzzentrum China:
Forschung zum Zivilrecht einer führenden Wirtschaftsmacht

19. Februar 2019

China ist im Begriff zur Weltmacht aufzusteigen. Vor diesem Hintergrund ist profundes Wissen über das chinesische Recht unverzichtbar. Seiner systematischen Erforschung und Vermittlung über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg widmet sich das Kompetenzzentrum für das Recht der Volksrepublik China am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Prof. Dr. Knut Benjamin Pißler leitet diese in Deutschland einmalige Forschungseinrichtung.
Der Jurist und Sinologe beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Zivil-, Wirtschafts- und Finanzmarktrecht. Gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Nils Klages, ein ebenfalls der chinesischen Sprache kundiger Jurist, verfolgt er die chinesische Rechtsentwicklung.

Rechtsunsicherheit gehört zu den größten Herausforderungen für ausländische Wirtschaftsakteure in China und stellt die Forschung zum chinesischen Recht immer wieder vor anspruchsvolle Aufgaben.

Welchen Beitrag leistet hier die Grundlagenforschung?

Knut Benjamin Pißler: „Eines unserer wichtigsten Anliegen ist die sprachliche Erschließung chinesischer Rechtsquellen. Eine große Lücke konnten wir beispielsweise durch unsere Arbeit an dem 2018 von mir herausgegebenen ‚Handbuch des chinesischen Zivilprozessrechts‘ schließen. In diesem Werk ist aus den Beiträgen von Kennern des chinesischen Rechts aus Wissenschaft und Praxis eine systematische Darstellung des Zivilprozessrechts der Volksrepublik entstanden. Es enthält auch das Zivilprozessgesetz der VR China samt Erläuterungen des Obersten Volksgerichts im chinesischen Original und in deutscher Übersetzung.“

Das Kompetenzzentrum pflegt enge Beziehungen mit chinesischen Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern. Zu den akademischen Gästen aus China, die für Forschungsaufenthalte am Max-Planck-Institut für Privatrecht gewonnen werden können, zählen außerdem Richterinnen und Richter aller Instanzen der chinesischen Gerichte.

Was bedeutet der Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Justiz für die Wissenschaft?

Knut Benjamin Pißler: „Mit der rasanten Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und der starken Präsenz ausländischer Unternehmen und Investoren in China stellt sich immer häufiger die Frage nach der praktischen Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche. Themen wie etwa die Organisation der Gerichte mit Richtern, Schöffen und Gerichtsvollziehern sind da von großer Bedeutung. Um zu verstehen, in welche Richtung sich das chinesische Zivilrecht entwickelt, müssen wir uns intensiver mit seiner praktischen Anwendung durch die Rechtsprechung befassen.“

Aufgrund welcher aktuellen Entwicklungen wählen Sie Ihre Forschungsthemen aus?

Knut Benjamin Pißler: „Es ist zu erwarten, dass die Digitalisierung Chinas auch die zivilrechtliche Entwicklung beeinflussen wird. Wir beobachten die Gesetzgebung und Rechtspraxis etwa bei der Schaffung eines internetbasierten Schuldnerverzeichnisses, das Teil des sozialen Bonitätssystem ist und eine ganz neue Perspektive auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche eröffnet.“

Nils Klages: „Fragen der Rechtsdurchsetzung beschäftigen auch mich in meinem Dissertationsvorhaben. Darin geht es um die Rechtsbehelfe, mit denen sich Gesellschafter in chinesischen Unternehmen gegen Beschlüsse wehren können, die ihre Rechte verletzen. Es ist wichtig zu verstehen, welchen rechtlichen Regeln die Beziehungen der Gesellschafter unterliegen, weil staatliche Akteure auch heute noch einen großen Einfluss in vielen chinesischen Unternehmen haben.“

Erhebliches Engagement Knut Benjamin Pißlers, der auch Professor am Deutsch-Chinesischen Institut für Rechtswissenschaft an der Universität Göttingen ist, fließt in die Lehre sowie die Ausbildung und Förderung des juristischen Nachwuchses. Seit mehr als zehn Jahren hält er Vorlesungen im Rahmen der Göttinger Sommerschule zum chinesischen Recht.

Außerdem wirkt er federführend an Fachkonferenzen und Vortragsreihen mit. Zu ihnen gehören die seit 2002 stattfindenden „Hamburger Vorträge zum chinesischen Recht“, die juristischen Symposien im Rahmen bundesweit größten chinabezogenen Veranstaltungsreihe „CHINA TIME“ in Hamburg sowie die in Kooperation mit der Hamburger Handelskammer und der OAV durchgeführte Reihe „Chinas Rechtssystem im Wandel“.

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