EuGH-Entscheidung zur europaweiten Geltendmachung von Erbrechten
In einer vielbeachteten Entscheidung über die Auslegung der Europäischen Erbrechtsverordnung ist der Europäische Gerichtshof einer Ansicht gefolgt, die Dr. Jan Peter Schmidt, wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, in einem bereits 2013 erschienenen Aufsatz vertreten hat. In seinem nun vorliegenden Beitrag „Challenged Legacies – First Decision of the European Court of Justice on the EU Succession Regulation (ECJ, 12 October 2017, C-218/16 (Kubicka))” beschäftigt sich Jan Peter Schmidt mit den Folgen dieser Entscheidung für die Rechtspraxis.
Grenzüberschreitende Erbfälle unterliegen seit dem 15.8.2015 der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO), deren Entstehung vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht eng begleitet wurde. Sie regelt nicht nur die Frage des zuständigen Gerichts und des anwendbaren Rechts, sondern hat mit dem „Europäischen Nachlasszeugnis“ auch ein Instrument zur europaweiten Geltendmachung von Erbrechten geschaffen hat. Am 12.10.2017 erging eine vielbeachtete erste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Auslegung der EuErbVO (C-218/16 (Kubicka)).
Gegenstand war eine Problematik, über die vor allem im deutschen Schrifttum zuvor intensiv diskutiert worden war, nämlich das Verhältnis von Erbstatut und Belegenheitsrecht: Eine polnische Testatorin wollte ihren Ehemann und ihre zwei minderjährigen Kinder als Erben einsetzen, ein in Deutschland belegenes Grundstück aber unmittelbar ihrem Mann zuwenden. Während das im Fall anwendbare polnische Erbrecht ihr dies gestatten würde, würde das Grundstück nach deutschem Erbrecht zunächst auf alle drei Erben übergehen und könnte erst in einem zweiten Schritt mittels Auflassung und Grundbucheintragung auf den Ehemann allein übertragen werden. Der EuGH entschied, dass das polnische Recht in einem solchen Fall uneingeschränkt zur Anwendung zu bringen ist und das deutsche Belegenheitsrecht dahinter zurücktreten muss. Folge ist, dass das deutsche Grundstück auch ohne Eintragung im Grundbuch im Zeitpunkt des Todes unmittelbar auf den Ehemann der Testatorin übergehen würde.
Der EuGH ist damit der Ansicht gefolgt, die Jan Peter Schmidt schon 2013 in einem Aufsatz in der „Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht“ vertreten hatte (1 ff.), entgegen der damals noch ganz herrschenden Meinung. In seiner nun veröffentlichten eingehenden Würdigung der Entscheidung lobt Schmidt dementsprechend das vom EuGH gefundene Ergebnis, deckt aber auch einzelne Schwachpunkte in der Begründung auf. Die praktischen Folgen der Entscheidung beurteilt er durchweg positiv: Zwar erfordere sie eine Umstellung der bisherigen Praxis deutscher Grundbuchämter, doch sei langfristig mit einer Vereinfachung der internationalen Nachlassabwicklung zu rechnen. Darüber hinaus stärke die Entscheidung des EuGH die Möglichkeiten und die Sicherheit der Nachlassplanung in grenzüberschreitenden Fällen.