Das Internationale Privatrecht und die UN-Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030

Allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen und zugleich unsere natürlichen Existenzgrundlagen zu erhalten, gehört zu den größten globalen Herausforderungen. Sie kommt in den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen zum Ausdruck. Ein wichtiges Instrument zu ihrer Umsetzung ist das Recht. Institutsdirektor Ralf Michaels hat in Zusammenarbeit mit Veronica Ruiz Abou-Nigm und Hans van Loon ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das die Rolle des internationalen Privatrechts bei der Verwirklichung der UN-Ziele untersucht. Gemeinsam geben sie den Sammelband “The Private Side of Transforming our World – UN Sustainable Development Goals 2030 and the Role of Private International Law” heraus, der bei einer Konferenz vom 9. bis zum 11. September 2021 in Hamburg vorgestellt wurde.

Während die UN-Nachhaltigkeitsziele bereits in mehreren rechtswissenschaftlichen Disziplinen erforscht und diskutiert werden, waren sie im internationalen Privatrecht (IPR) bisher noch nicht Gegenstand eines umfassenden Diskurses. „Unter anderem liegt das daran, dass das IPR lange Zeit als rein technische Disziplin ohne politische Relevanz galt“, sagt Michaels. „Im weltumspannenden rechtlichen Gefüge, das wir brauchen, um die Ziele der Agenda 2030 zu verwirklichen, sehen wir aber eine wichtige Aufgabe für das IPR.“ Gemeinsam mit einem global zusammengesetzten Team, das Expertise aus Wissenschaft, Lehre und Praxis vereint, will er zunächst verborgenes, ungenutztes Potential des IPR sichtbar machen. Im nächsten Schritt soll das IPR neue Impulse erhalten, die seine Rolle im weltweiten Streben hin zu einer nachhaltigen Entwicklung stärken.

Privatrechtliches Handeln als Angelpunkt

Um welche Themen geht es dabei konkret? „Die Umsetzung der UN-Ziele erfordert enorme Anstrengungen auf vielen Ebenen. Es ist bemerkenswert, dass nahezu alle Institutionen und Steuerungsinstrumente, die in der Diskussion zur Agenda 2030 genannt werden, im Öffentlichen Recht und Völkerrecht angesiedelt sind. Dabei erfolgen die meisten Transaktionen und Investitionen, aber auch viele Aktivitäten, die Umweltzerstörung nach sich ziehen, durch privatrechtlich relevantes Handeln. Häufig werden dabei nationale Grenzen überschritten, wodurch die Kollisionsnormen des IPR zum Tragen kommen. Zu den Zielen der Agenda gehört beispielsweise auch die Beseitigung von Kinderheirat, Frühverheiratung und Zwangsheirat. Diese Praktiken werfen aufgrund der weltweit zunehmenden internationalen Mobilität und Migration schon seit langem kollisionsrechtliche Fragen auf“, umreißt Michaels nur einige der Inhalte, die das Forschungsprojekt behandelt. Der im September erscheinende Sammelband enthält Beiträge zu allen 17 Nachhaltigkeitszielen. Das breit angelegte Themenfeld reicht von Haftungs- und Versicherungsfragen bei elektronischen Gesundheitsdiensten über Klimaschutzklagen bis hin zur Regulierung von Verträgen mit digitalen Plattformen wie Airbnb oder Yelp im Lichte ihres Einflusses auf die Stadtökonomie.


„Um die Agenda 2030 mit rechtlichen Mitteln voranzutreiben, müssen auf globaler Ebene Wege geschaffen werden, die Verbindungen zwischen Rechtssystemen herstellen und Vermittlung möglich machen. Hier kommt dem IPR eine wichtige Funktion zu.“

– Ralf Michaels –


Globaler Austausch als verbindende Perspektive

Die Vereinten Nationen rufen alle globalen Akteure dazu auf, ihren Beitrag zur Erreichung der 17 Ziele zu leisten. Wie kann das IPR hier seine Wirkung entfalten? „Aus juristischer Sicht ist die Welt ein Geflecht aus unterschiedlichen Rechtssystemen, die sich ständig weiterentwickeln. Um die Agenda 2030 mit rechtlichen Mitteln voranzutreiben, müssen auf globaler Ebene Wege geschaffen werden, die Verbindungen zwischen Rechtssystemen herstellen und Vermittlung möglich machen. Hier kommt dem IPR eine wichtige Funktion zu“, sagt Michaels. „Die an unserem Projekt beteiligten Wissenschaftler*innen bringen Sichtweisen und Erfahrungen aus allen Kontinenten in ihre Beiträge ein. Wir haben uns am Beginn unserer Zusammenarbeit im September 2020 im Rahmen eines zweitägigen Workshops intensiv ausgetauscht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse waren für uns alle eine wertvolle Basis für die Entwicklung und Vertiefung der einzelnen Kapitel unserer Publikation.“

Publikation und Konferenz

Das in den vergangenen zwölf Monaten entstandene Gemeinschaftswerk “The Private Side of Transforming our World” wurde der Wissenschaftsöffentlichkeit in einer Konferenz mit gleichem Titel vorgestellt. Diese fand vom 9. bis zum 11. September 2021 in einer hybriden Veranstaltung am Institut statt.

Das Buch erscheint nicht nur als Print-Ausgabe, sondern auch online als Open-Access-Publikation, damit es möglichst vielen Menschen weltweit frei zugänglich wird.

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