Zur Geschichte und Theorie des Rechtsmissbrauchs

17. Februar 2020

Die Figur des Rechtsmissbrauchs gibt Beobachtern der europäischen Privatrechtsordnungen immer noch Rätsel auf. Scheint es einigen, als nähere sich Europa einer gemeinsamen Idee des Rechtsmissbrauchs an, so konstatieren andere das Gegenteil: Je gründlicher das Konzept in den einzelnen Rechtsordnungen entfaltet wurde, desto deutlicher zeigten sich fundamentale Unterschiede. In seiner kürzlich erschienenen Dissertation analysiert Philipp Eichenhofer, ehemaliger wissenschaftlicher Assistent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, die Ähnlichkeiten und Unterschiede im Konzept des Rechtsmissbrauchs im deutschen, französischen und englischen Recht.

In seiner Grundstruktur hat sich die erstmals im französischen Recht etablierte Figur des Rechtsmissbrauchs auf dem europäischen Kontinent durchgesetzt. So heißt es beispielsweise in §226 BGB, dem Schikaneverbot: „Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie den Umständen nach nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“ Eine Ausnahme stellt das englische Recht dar, das die Idee eines abuse of rights ausdrücklich verworfen hat und somit der Behauptung europäischer Harmonie besonders deutlich entgegensteht.

Die drei von Philipp Eichenhofer für seine Analyse ausgewählten Rechtsordnungen – die französische, die deutsche und die englische – haben in der Frage des Rechtsmissbrauchs besonders deutliche Positionen eingenommen. Diese Positionen lassen sich nicht allein durch den Vergleich von Regeln und Fallgruppen erschließen. In allen drei Ländern ist die Sicht auf den Rechtsmissbrauch vielmehr von privatrechtstheoretischen Diskursen geprägt, die bis heute nachwirken. Philipp Eichenhofer beleuchtet diese und versucht, ein tieferes Verständnis der nationalen Perspektiven zu erlangen, um dem Rätsel des Rechtsmissbrauchs auf die Spur zu kommen.


Philipp Eichenhofer, Rechtsmissbrauch. Zur Geschichte und Theorie einer Figur des Europäischen Privatrechts (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 431), Mohr Siebeck, Tübingen 2019, Dissertation Bucerius Law School Hamburg 2016, XVII, 272 S.

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